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Die Transplantation von Organen und Knochenmark basiert auf anspruchsvollen molekulargenetischen und immunologischen Untersuchungen

08. Dezember 2022

Das passende Organ für auf ein Herz, Lunge oder Niere wartende Patienten zu finden, ist ein hoch komplexer Vorgang. Dabei spielen neben regulatorischen, ethischen und organisatorischen Aspekten auch viele medizinische – unter anderem auch immunologische – Aspekte eine zentrale Rolle. Natürlich müssen die Größe des Organs sowie die Blutgruppe des Spenders zum Empfänger passen. Aber um eine Abstoßung soweit wie möglich zu vermeiden und die Funktion im neuen Körper zu gewährleisten, müssen in spezialisierten Laboren aufwändige immungenetische sowie transplantationsimmunologische Analysen vorgenommen werden – sowohl vor als auch nach einer Transplantation. Das gilt bei der Organtransplantation sowie bei Knochenmarkspenden.

labor Das Labor für Immungenetik und molekulare Diagnostik (LfIMD) der Abteilung für Transfusionsmedizin, Zelltherapeutika und Hämostaseologie (ATMZH) des LMU Klinikums München stellt die bestmögliche Verträglichkeit von Organ- und Stammzelltransplantaten sicher.(Bild: Pressestelle des LMU Klinikums)

Das Labor für Immungenetik und molekulare Diagnostik (LfIMD) der Abteilung für Transfusionsmedizin, Zelltherapeutika und Hämostaseologie (ATMZH) des LMU Klinikums München ist eine hochspezialisierte Einrichtung mit rund 20 Mitarbeiter:innen. Ihre Aufgabe ist es, mit transplantationsimmunologischen und immungenetischen Untersuchungen eine bestmögliche Verträglichkeit von Organ- und Stammzelltransplantaten sicherzustellen.

Dass die Transplantation von Organen, von Knochenmarkzellen oder Blutstammzellen heute fast schon den Status einer Standardtherapie genießt, ist vor allem den bahnbrechenden Erkenntnissen auf den Gebieten der Immunologie und Immungenetik zu verdanken. Denn es sind auch immunologische Ursachen, die eine Gefahr für das Transplantat darstellen – und so eine gefürchtete Abstoßungsreaktion zur Folge haben können. Die spezifischen immunologischen Voraussetzungen von Spender und Empfänger zu ermitteln und auf ihre Kompatibilität zu prüfen, ist die Domäne der Histokompatibilitätsdiagnostik (Histokompatibilität = Gewebeverträglichkeit) und Hauptaufgabe des Labors für Immungenetik und molekulare Diagnostik: Hier werden alle Befunde erstellt, die die so wichtige immunologische Verträglichkeit von Spender:in und Empfänger:in gewährleisten. Dabei kommen modernste Untersuchungstechniken und Analysegeräte für die bestmögliche Organ- bzw. Stammzellenzuordnung zur Anwendung. Damit zählt das LfIMD deutschlandweit zu den führenden Einrichtungen.

HLA-System – so individuell wie ein „Fingerabdruck“

Eine wichtige Voraussetzung für den Therapieerfolg ist, dass der Spender oder die Spenderin über möglichst ähnliche Gewebemerkmale (Merkmale des HLA- Systems) verfügt wie der Empfänger. HLA steht für humanes Leukozyten-Antigen-System. Dieses spielt eine wesentliche Rolle im komplizierten System der Immunabwehr und muss aus der immunologischen Perspektive neben der Blutgruppe bei Transplantationen berücksichtigt werden. Weichen die Gewebemerkmale von Spender und Empfänger voneinander ab, werden die Antigene des Spenders als fremd eingestuft und lösen beim Empfänger eine Abwehrreaktion gegen das Transplantat aus. Umgekehrt ist die Gefahr für eine Abstoßung umso geringer, je besser die Übereinstimmung der Gewebemerkmale von Spender und Empfänger ist.

Mittlerweile sind die molekularbiologischen bzw. immungenetischen Untersuchungsverfahren jedoch so ausgereift, dass es in den meisten Fällen möglich ist, für den Empfänger einen Spender zu ermitteln, der aufgrund seines immunologischen Profils gut genug „passt“, um das Abstoßungsrisiko möglichst gering zu halten.

Zwei große Patient:innengruppen stehen im Vordergrund der Diagnostik des LfIMD: Patient:innen, die auf ein neues Organ warten, und Patienten, die aufgrund einer Leukämie bzw. einer anderen bösartigen Bluterkrankung, aber auch einer nicht-malignen Erkrankung wie der Sichelzellanämie, eine Knochenmark- bzw. Blutstammzellentransplantation benötigen.

Organtransplantation

Dieser bislang unbekannte elektrische Kreislauf zwischen den Arterien und dem Gehirn hat perspektivisch eine immense Die Gewebediagnostik beginnt bereits vor der Aufnahme von Patient:innen in die Transplantationswarteliste von Eurotransplant, für die die Bestimmung der HLA-Gewebemerkmale (HLA-Typisierung) sowie ein Screening bzw. eine Spezifizierung von HLA-Antikörpern notwendig sind. Die Patient:innen stammen aus den drei Transplantationszentren am LMU Klinikum Großhadern, am Klinikum rechts der Isar sowie am Klinikum Augsburg.

Nachdem die Patient:innen bei Eurotransplant gelistet wurden, überprüft das LfIMD bei Patienten, die auf eine Niere, Bauchspeicheldrüse, Lunge, Leber oder ein Herz hoffen, den Antikörperstatus in regelmäßigen Abständen, im Regelfall einmal pro Quartal, also alle drei Monate: „Jedes immunisierende Ereignis – Transfusionen, eine Schwangerschaft oder Transplantationen – kann dazu führen, dass der/die Patient:in HLA-Antikörper entwickelt, wodurch sich eine andere Situation für die Akzeptanz eines Organangebots ergibt“, erklärt die Leiterin des Labors für Immungenetik und molekulare Diagnostik Dr. Andrea Dick. Derzeit stehen im südbayerischen Raum mehr als 800 Patient:innen auf der Warteliste für eine Organtransplantation. „Es ist sehr wichtig, für jeden Patienten und jede Patientin auf der Warteliste ein präzises und aktuelles immunologisches Profil zu erstellen. Neben anderen Kriterien ist dies eine wesentliche Voraussetzung für eine gute Transplantatfunktion“, sagt Dr. Dick. Dabei haben auch immunisierte Patient:innen, bei denen im Serum HLA-Antikörper nachweisbar sind, eine Chance, ein passendes Organ angeboten zu bekommen, auch wenn aufgrund einer Immunisierung die Organspenderauswahl eingeschränkt ist .

Als Regionallabor der Deutschen Stiftung für Organspende (DSO) und von Eurotransplant beauftragtes HLA-Labor ist das LfIMD verantwortlich für die Histokompatibiliätsdiagnostik in der gesamten Region Südbayerns. Dafür wird das gesamte Jahr über ein 24-Stunden-Rufdienst vorgehalten. Die Aufgabe der DSO in der Prozesskette der Transplantation ist die Koordination der Organspender:innen. Eurotransplantvermittelt die gemeldeten Spender:innen an mögliche Empfänger.

Je ähnlicher die Gewebemerkmale der spendenden und der empfangenden Person sind, desto schwächer wird voraussichtlich das Immunsystem des Organempfängers auf das fremde Organ reagieren. Allerdings: Eine gewisse Abweichung (Mismatch) muss praktisch immer in Kauf genommen werden. Umso wichtiger ist die zuverlässige Einnahme der Immunsuppression, die essentiell notwendig ist, um eine immunologische Abstoßungsreaktion zu vermeiden.

Nach der Transplantation kann die HLA-Diagnostik ebenfalls wertvolle Hinweise zur Einschätzung des weiteren Verlaufs geben. Deshalb legen die südbayrischen Transplantationszentren gemeinsam mit dem LfIMD schon seit zehn Jahren großen Wert auf eine engmaschige immunologische Nachbehandlung der Patient:in.

Stammzelltransplantation

Eine noch größere Bedeutung hat eine möglichst genaue Übereinstimmung der HLA-Merkmale von Patient:in und potentiellem Spender:in im Bereich der Knochenmark- bzw. Blutstammzellentransplantation. Denn anders als bei einem einzelnen Organ wird bei einer Stammzelltransplantation gewissermaßen das gesamte Immunsystem des Spenders übertragen. Dadurch kann es nicht nur zu einer Abstoßungsreaktion des Transplantats durch den Empfänger (Host versus Graft-Reaktion), sondern auch zu einer Abstoßungsreaktion des Empfängerorganismus durch das transplantierte Immunsystem (Graft versus Host-Reaktion) kommen. Das LfIMD führt die HLA-Typisierung für Patient:innen und deren potentielle Familienspen-der:innen durch. Nachdem durch die betreuenden Ärzt:innen entschieden ist, welcher Spender/welche Spenderin für den Empfänger aufgrund der Ergebnisse der HLA- Diagnostik und anderer Kriterien infrage kommt, wird das Zelltherapeutikum mittels Zellapherese des Spenders unter Leitung von Prof. Dr. Andreas Humpe hergestellt.

Neben der Diagnostik im Rahmen der Organ- bzw. Stammzelltransplantation umfasst das Spektrum des LfIMD noch weitere wichtige Aufgabengebiete, so z.B. die HLA-Typisierung von Spendern für die Herstellung von kompatiblen Thrombozytenkonzentraten oder die Bestimmung der HLA-Gewebemerkmale für einige HLA-assoziierte Erkrankungen (z.B. Morbus Bechterew, Zöliakie und andere Autoimmunkrankheiten), wobei die HLA-Typisierung hier zur Diagnosesicherung beitragen kann.

Qualitätssicherung

Die Einhaltung der hohen Qualitätsstandards im Bereich der Transplantationsdiagnostik im LfIMD wird jährlich durch die European Federation for Immunogenetics (EFI) überprüft. Des Weiteren ist das Labor nach DIN EN ISO 15189 für medizinische Laboratorien akkreditiert. Die Einhaltung der Anforderungen dieser Norm wird durch die Deutsche Akkreditierungsstelle „DAkkS“, die als Behörde im staatlichen Auftrag handelt, sichergestellt..

Quelle: LMU Klinikum