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Orakel für die CAR-T-Zelltherapie

24.Mai 2022

Die Immuntherapie mit sogenannten CAR-T-Zellen hat sich für die Behandlung verschiedener Leukämien (Blutkrebs) und Lymphome (Lymphdrüsenkrebs) etabliert. Zugleich bekommen Krebsmediziner immer bessere Einblicke in das Nebenwirkungsspektrum der Behandlung. Forschende des LMU Klinikums um Dr. Kai Rejeski und Prof. Marion Subklewe von der Medizinischen Klinik III in Großhadern haben einen prädiktiven Score entwickelt, mit dem sich lebensgefährliche, langanhaltende Zytopenien, das heißt niedrige Blutwerte, nach einer „CAR-T-Zelltherapie“ vorhersagen lassen. Jetzt haben die Experten in einer neuen Studie herausgefunden: Mit diesem Score lässt sich auch das Risiko der Patienten für gefährliche Infektionen vorhersagen. Zudem könnte der Score womöglich auch den Erfolg der Therapie individuell und verlässlich abschätzen. Die Ergebnisse wurden nun im Journal for ImmunoTherapy of Cancer veröffentlicht.

cart-zelltherapie Mit dem CAR-HEMATO-Score, den Forschende des LMU Klinikums um Prof. Marion Subklewe und Dr. Kai Rejeski entwickelt haben, lassen sich nicht nur lebensgefährliche, langanhaltende Zytopenien vorhersagen, sondern auch das Risiko der Patienten für gefährliche Infektionen. (Bild: LMU Klinikum)

Zunächst war bei den Nebenwirkungen und Komplikationen der CAR (für „Chimeric Antigen Receptor“) T-Zelltherapie vor allem vom sogenannten Zytokinsturm und von neurologischen Symptomen (etwa Wortfindungsstörungen, Schreibfehler, Verwirrtheit) die Rede. Dann aber erkannten die Münchner Mediziner:innen zusammen mit französischen und US-amerikanischen Kliniken einen typischen Abfall der Blutzellen) nach der Therapie bei einigen der Behandelten – mit teils lebensbedrohlichen Folgen. Mit dem entwickelten CAR-HEMATOTOX-Score konnten die Forschenden das Risiko der Zytopenie individuell prognostizieren (Rejeski et al, Blood 2021). Der Score besteht aus den normalen Blutbildwerten und aus zwei Entzündungsparametern und wird vor der CAR-T-Zelltherapie erhoben.

Nun wollten die Ärzt:innen und ihre Kolleg:innen wissen, ob der Score auch individuelle Aussagen darüber zulässt, ob eine Patient:in höchstwahrscheinlich eine Infektion nach der Therapie bekommen wird und wie die Behandlung anschlägt. Dafür wurden mit diversen statistischen Methoden die Daten von rund 250 Patient:innen analysiert, die aufgrund eines bestimmten Lymphdrüsenkrebses (großzelliges B-Non-Hodgkin-Lymphom) im Routinebetrieb mit CAR-T-Zellen behandelt wurden. “

IErgebnis: „Ein hoher Wert im CAR-HEMATOTOX-Score konnte die Anfälligkeit für schwere Infektionen vor Therapiebeginn gut vorhersagen“, erklärt Kai Rejeski, der Erstautor der Studie. 40 Prozent der Betroffenen mit hohem Score bekamen einen schweren Infekt, dagegen nur acht Prozent der Patient:innen mit niedrigem Score. Bei den schweren bakteriellen Infektionen war der Unterschied mit 27 versus 0,9 Prozent noch deutlicher.

Die Auswertung der Daten ergab auch: Jene Patient:innen, die nach der Therapie längere Zeit Kortison erhielten (zum Beispiel zur Behandlung anderer Nebenwirkungen), hatten eine erhöhte Infektrate. Andererseits reduzierte die vorbeugende Gabe von Antibiotika die Zahl der schweren Infektionen bei den Betroffenen mit hohem Score erheblich. Bei den Patient:innen mit niedrigem Score zeigte sich dieser Nutzen nicht. „Das heißt, wir können mit unserem Score individuell abschätzen, wer im Zuge der CAR-T-Zelltherapie Antibiotika bekommen sollte und wer nicht“, betont Marion Subklewe. Ein großer Vorteil, denn jede Antibiotika-Gabe schädigt die Darmflora, die für ein funktionierendes Immunsystem wichtig ist.

Schlussendlich mussten Patient:innen mit hohem Score länger im Krankenhaus zur Behandlung bleiben als Patient:innen mit niedrigem Score. Vor allem aber schritt ihr Krebs, trotz CAR-T-Zelltherapie, schneller voran und sie starben insgesamt öfter an ihrer Erkrankung als Betroffene mit niedrigem Score. Schwere Infekte sind offenbar auch mit einer höheren Sterblichkeit der Patient:innen assoziiert. Ein Online-Score Rechner wurde bereits in Zusammenarbeit mit der German Lymphoma Alliance (GLA) programmiert (siehe Link unten).

„Insgesamt kristallisiert sich der klinische Nutzen des CAR-HEMATOTOX zunehmend heraus“, sagt Kai Rejeski. Ein hoher Score bedeutet ein hohes Komplikations- und Sterblichkeitsrisiko, ein niedriger Score eben nicht. „Hochrisikopatient:innen profitieren wahrscheinlich von einer anti-infektiven Prophylaxe und sollten engmaschig überwacht werden“, erklärt der Arzt weiter, „bei Niedrigrisikopatient:innen könnte man hingegen Antibiotika einsparen und in Zukunft könnten diese Patient:inen die CAR-T-Zelltherapie eventuell ambulant erhalten.“ Das allerdings müssen weitere Studien klären.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben per Gentechnologie ein Mausmodell hergestellt, bei dem CXCL12 überall hergestellt wird, wo es normalerweise produziert wird, nur nicht von Blutplättchen. Dabei zeigte sich, dass sich Thrombosen später als bei Wildtyp-Mäusen bildeten – und sich auch schneller wieder auflösten. Bei genetisch veränderten Mäusen verschlossen sich Blutgefäße seltener.

Titel der Originalarbeit

Rejeski K, Perez A, Iacoboni G, Penack O, Bücklein V, Jentzsch L, Mougiakakos D, Johnson G, Arciola B, ..., Subklewe M.
The CAR-HEMATOTOX risk-stratifies patients for severe infections and disease progression after CD19 CAR-T in R/R LBCL
J Immunother Cancer 2022;10(5); doi: 10.1136/jitc-2021-004475

Ansprechpartner

Prof. Dr. med. Marion Subklewe
Leitung des CAR-T-Zell-Programms
Medizinische Klinik und Poliklinik III
LMU Klinikum München
Campus Großhadern
+49 89 4400-73133
marion.subklewe@med.uni-muenchen.de

Dr. med. Kai Rejeski
Assistenzarzt und Clinician-Scientist
Medizinische Klinik und Poliklinik III
LMU Klinikum München
Campus Großhadern
+49 89 4400-72207
kai.rejeski@med.uni-muenchen.de

Quelle: LMU Klinikum