Medizinische Fakultät
print

Links und Funktionen
Sprachumschaltung

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Spontanabort

Es gibt Frauen, die zwar leicht schwanger werden, aber ihr Kind in den ersten drei bis vier Monaten verlieren. „Das gilt für etwa fünf Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch“, sagt Prof. Christian Thaler vom Hormon- und Kinderwunschzentrum am Campus Großhadern. Warum sie unter solchen immer wiederkehrenden Spontanaborten leiden, bleibt selbst nach intensiver Untersuchung oft im Dunkeln. Allerdings hat Thaler zusammen mit seiner Mitarbeiterin Dr. Nina Rogenhofer zumindest eine Ursache des rätselhaften Phänomens gefunden: Manche der Frauen produzieren offenbar Abwehrstoffe (Antikörper) gegen den Mutterkuchen, den Trophoblasten.

Der Trophoblast stellt das Grenzgewebe zwischen dem eigentlichen Embryo, der Gebärmutterschleimhaut und dem mütterlichem Blut dar. Er bedeutet für den Körper der Mutter, rein immunologisch gesehen, einen Fremdkörper, weil seine Zellen zur Hälfte durch väterliche Gene bestimmt sind. Die Natur hat allerdings dafür gesorgt, dass der Trophoblast keine der klassischen Transplantationsantigene auf seiner Oberfläche präsentiert, auf die sich das Immunsystem etwa bei Empfängern von Organtransplantaten förmlich stürzen würde. Sonst würde kein Kind geboren.

„Wir hatten jetzt einige Schwangerschaften, die auf diese Weise positiv ausgingen“

Aber keine Regel ohne Ausnahme: Zuweilen „exprimiert“ der Trophoblast trotzdem einige Antigene, die dann durch Antikörper erkannt werden. Fällt die Abwehrreaktion nur schwach aus, kommen gesunde Kinder zurWelt. Doch sie kann auch fatal enden: Bei 17 Prozent der Frauen mit zwei oder mehr aufeinanderfolgenden Aborten entdeckten die Münchner Forscher diese Antikörper im mütterlichen Blut. „Und sogar bei 34 Prozent der Frauen mit drei oder mehr aufeinanderfolgenden Fehlgeburten“, wie Christian Thaler betont. Ob sich die Antikörper gegen die väterlich geprägten Bestandteile des Trophoblasten richten oder versehentlich gegen eigene mütterliche Anteile, bleibt unklar. Was sich aber abzeichnet: Wenn die Antikörper am Mutterkuchen binden, stoppen die dortigen Zellen die Produktion des Schwangerschaftshormons HCG. „So wird verständlich, warum die Schwangerschaft zugrunde geht“, sagt Nina Rogenhofer.

Womöglich bekommen die betroffenen Frauen bald gezielte Hilfe. Schon seit einigen Jahren geben dieMediziner Frauen mit mehreren Aborten sogenannte gepoolte polyvalente Immunglobuline – gebräuchliche Gemische von Antikörpern aus Spenderinnen- Blut. „Manche der behandelten Frauen gebären dann gesunde Kinder, andere nicht“. sagt Thaler, „ohne dass wir wussten, warum das so ist“. Nun deuten jüngste Studien an: Womöglich profitieren nur jene Frauen von der Therapie, die Antikörper gegen den Trophoblasten entwickeln. Offenbar blockieren die Antikörper des Therapie-Cocktails die für die Schwangerschaft tödlichen Antikörper, die dann nicht mehr an den Mutterkuchen binden können. „Wir hatten jetzt einige Schwangerschaften, die auf diese Weise positiv ausgingen“, erklärt der Arzt – was, wissenschaftlich gesehen, nicht den Effekt der Therapie beweist. Dafür braucht es eine größere Studie. Ob und wann sie kommt, steht noch nicht fest.

Quelle: Jahresbericht 2012 (Text und Bildnachweis)

Literatur: Rogenhofer N et al (2012):
"Antitrophoblast Antibodies are associated with recurrent miscarriage"
Fertll Steril, 97(2): 361-366