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Rheuma

schulze_koops Professor Dr. Hendrik Schulze-Koops
Experte von der Rheumaeinheit des Klinikums

„Die Therapie der Patienten wird sich mit diesem Medikament erheblich verändern“, prophezeit Prof. Hendrik Schulze-Koops und meint eine neue Tablette gegen die rheumatoide Arthritis. An dieser Erkrankung leiden allein in Deutschland knapp 650.000 Erwachsene. Das Immunsystem startet immer wieder schubweise Angriffe auf Strukturen der körpereigenen Gelenke, die durch die ständigen Entzündungen langsam zerstört werden. Zudem „sind die Attacken sehr schmerzhaft“, erklärt der Experte von der Rheumaeinheit des Klinikums.

Seit vielen Jahren hält die moderneMedizin das Leiden mit Antikörpern in Schach – Substanzen, die Botenstoffe des Immunsystems blockieren. Infolge der Hemmung wird die Körperabwehr gedämpft. Die Beschwerden der Patienten gehen zurück, die Zerstörung der Gelenke und die daraus resultierenden Behinderungen lassen sich zuverlässig vermeiden. Wermutstropfen: Erstens müssen diese Präparate ins Blut gespritzt werden, weil die Verdauung die Antikörper außer Gefecht setzen würde. Zweitens: Sie wirken meist nur optimal, wenn die Ärzte sie zusammen mit dem Medikament Methotrexat verabreichen. „Aber die meisten Patienten würden liebend gerne auf Methotrexat verzichten“, sagt Schulze-Koops – ein Mittel aus der Krebsmedizin mit entsprechendem Ruf, das oft Übelkeit und Unwohlsein auslöst.

„Dosisabhängig entwickelten die Probanden bei der kleineren Dosierung weniger Nebenwirkungen“

Das neue Medikament hingegen ist ein sogenanntes kleines Molekül, das man schlukken kann, weil es der Magensäure unbeschadet entgeht. Und es benötigt keinen Beistand von Methotrexat. Das wichtigste aber: Es wirkt genauso gut wie die Antikörper, wie eine Studie nahe legt, an der sich die Rheumaeinheit des Klinikums stark engagiert hat. Die Tofacitinib genannte Substanz dringt in bestimmte Immunzellen ein und hemmt zwei Januskinasen. Das sind Moleküle, die die Signale der Immun-Botenstoffe in den Zellenmit verarbeiten. Erst diese Prozesse aktivieren das Immunsystem. Das neueMedikament schwächt also ebenso die Körperabwehr – und lindert die Rheuma-Beschwerden deutlich.

Das zeigte die Studiemit 611 Patienten, die dreiMonate lang täglich entweder zweimal fünf oder zweimal zehn Milligramm der Substanz schluckten – oder ein wirkungsloses Placebo. In der Zweimal-Fünf-Milligramm-Gruppe besserten sich alle wichtigen Rheumawerte bei 60 Prozent der Patienten, in der Zweimal-Zehn- Milligramm-Gruppe bei 65 Prozent der Teilnehmer, dagegen nur bei 27 Prozent in der Placebogruppe. „Dosisabhängig entwickelten die Probanden bei der kleineren Dosierung weniger Nebenwirkungen“, betont Hendrik-Schulze Koops. Darumist in den USA nur diese Dosis zugelassen worden. Die beobachteten Nebenwirkungen seien bisher „nicht besorgniserregend“, erklärt der Mediziner: zum Beispiel ein minimaler Anstieg der Nierenwerte. Oder eine geringe Reduktion von roten und weißen Blutkörperchen. Und ein gewisses Infektionsrisiko. 2013 wird das Medikament auch in Europa auf den Markt kommen. Ein weiterer Schritt, sagt Schulze-Koops, „in der sehr erfreulichen Dynamik der Rheuma-Behandlung. Die Patienten werden das annehmen.“

Quelle: Jahresbericht 2012 (Text und Bildnachweis)

Literatur: R. Fleischmann et al on behalf of the ORAL Solo investigators (2012)
"Tofacitinib monotherapy vs placebo in rheumatoid arthritis: Phase 3 study"
N Engl J Med, 367:495-507