Medizinische Fakultät
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Exzellenzcluster CIPS-M: Doppelte Immunstrategie gegen Tumoren

endres Professor Dr. Stefan Endres
Leiter der Abteilung für Klinische Pharmakologie

Auf fünf Säulen steht das „Center for Integrated Protein Sciences Munich”. Und alle haben sie mit Eiweißen zu tun. Was machen Proteine in der Zelle? Wie leiten sie Signale weiter? Wie regulieren sie Gene? Wie sieht ihre dreidimensionale Struktur aus? Wie wirken Nukleinsäuren wie DNA oder RNA mit Proteinen zusammen? Wie lassen sie sich nutzen, um Krebs zu bekämpfen?

„Wir machen Proteinforschung hoch und runter”, sagt Prof. Stefan Endres, Leiter der Abteilung für Klinische Pharmakologie am Klinikum der Universät München und ist selbst beteiligt am kurzerhand CIPS-M genannten Exzellenzcluster. Wir – das sind Chemiker, Biologen, Mediziner, und andere Forscher der LMU, des Klinikums der LMU, der Technischen Universität München und des Helmholtz-Zentrums. Sprecher des Clusters ist Prof. Thomas Carell von der Fakultät für Chemie und Pharmazie der LMU. Der gesamte Forschungsverbund hat in den vergangenen fünf Jahren erfolgreich mit dutzenden Veröffentlichungen in hochrangigen wissenschaftlichen Journalen wie „Science”, „Nature” oder „PNAS” gearbeitet. Deshalb standen die Chancen gut, dass die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder den seit 2007 laufenden Cluster in 2012 um fünf weitere Jahre verlängern würde. So kam es dann auch.

Auf Seiten der LMU-Medizin partizipieren Prof. Andreas Ladurner von der Physiologischen Chemie und Prof. Peter Becker von der Molekularbiologie des Adolf-Butenandt-Instituts am Verbund (siehe Jahresbericht 2011). Auf Seiten des Klinikums der Universität München beschäftigt sich Stefan Endres´ Team mit Proteinen des Immunsystems – und wie man sie im Sinne einer Immuntherapie gegen Tumoren nutzen kann. Seit mehr als drei Jahrzehnten erkunden Wissenschaftler weltweit Strategien, das Immunsystem gegen bösartige Geschwulste „scharf” zu machen. Normalerweise attackiert die Körperabwehr Krankheitserreger, aber auch entartete Zellen, die dem Organismus gefährlich werden könnten. Doch „erfolgreicher” Krebs schafft es, der Aufmerksamkeit der Körperabwehr zu entgehen. Die Tumorzellen sind dann unsichtbar für die Moleküle und Zellen des Immunsystems. Genauer gesagt: für beide Immunsysteme des Körpers. Denn wir verfügen über die eigentliche, spezifische Körperabwehr, die maßgeschneiderte Antworten entwickelt. Und eine unspezifische, angeborene Körperabwehr, die im Zuge einer Entzündung Viren, Bakterien und Krebszellen sozusagen mit Säbel statt feiner Klinge bekämpft.

„Das Timing entscheidet mit über die Immunantwort und den Therapieerfolg”

Stefan Endres’ Team hat dieses unspezfische Immunsystem gegen Dickdarm-Tumore aktiviert. Nach folgendem Procedere: Die Forscher injizierten in Mäuse eine immunstimulatorische RNA – ein Molekül, das der Erbsubstanz einiger Viren ähnelt. Tatsächlich „geht das Immunsystem jetzt davon aus, dass der Körper mit Viren infiziert worden ist”, erklärt der Internist. Die RNA bindet nun an „Toll-like-Rezeptoren” genannte Proteine auf der Oberfläche bestimmter Abwehrzellen. Infolgedessen schüttet das Immunsystem einen Botenstoff namens Interferon-alpha aus, der wiederum Killerzellen aktiviert. „Die töten dann die Tumorzellen”, sagt Endres. Und zwar nur in und um die Geschwulst herum. Denn zusammen mit der RNA werden den krebskranken Tieren Moleküle verabreicht, die ausschließlich auf den Tumorzellen zu finden sind. Dadurch richtet sich die Immunantwort nur gegen den Krebs.

„Im Zuge der Therapie geht die Tumormasse bei den Mäusen zurück”, betont Prof. Endres. Doch Behandlungsversuche von Tumoren im Körperinneren sind bei Patienten bisher gescheitert. Die Forscher glauben zu wissen, warum. Gibt man Mäusen den RNA-Cocktail mehrere Wochen lang ohne Unterbrechung, stumpft die Immunantwort ab. Pausiert man hingegen nach einer Woche für sieben Tage mit der Behandlung, attackiert die Körperabwehr den Tumor wieder. „Das Timing entscheidet mit über die Immunantwort und den Therapieerfolg”, meint Stefan Endres.

„Fernziel ist es, die Therapie so zu optimieren, dass alle Tumorzellen verschwinden”

becker Professor Dr. Peter Becker
Molekularbiologe des Adolf-Butenandt-Instituts

Derweil hat seine Arbeitsgruppe das nächste Projekt aufgenommen, bei dem sie zwei Therapiekonzepte verbinden will. Bispezifische Antikörper sind künstlich geschaffene Proteine und haben zwei „Arme”: In den Körper injiziert, binden sie an einem Ende T-Zellen, die Tumorzellen töten können. Am anderen Ende sind sie maßgeschneidert, um gezielt an bestimmten Strukturen der Tumorzellen anzudocken. Diese Antikörper führen also gegen den Tumor gerichtete T-Zellen räumlich an den Krebs heran”, sagt Endres. Das andere Konzept ist die adoptive T-Zell-Therapie. Dabei entnimmt man dem Krebspatienten T-Zellen, stattet sie mit einem Molekül aus, das für seinen Tumor spezfisch ist, vermehrt die Zellen und spritzt sie dem Patienten zurück. Bedingt durch den Rezeptor steuern die T-Zellen das Tumorgewebe an und sorgen für dessen Zerstörung.

Theoretisch klingt das bestechend. Praktisch sind beide Ansätze allein nicht in der Lage, die Tumorzellen vollständig aus dem Körper zu verbannen. Und sie lösen teils erhebliche Nebenwirkungen aus. In Tierversuchen kombiniert das LMU-Team nun beide Strategien, um die Nachteile der einzelnen Therapien zu beseitigen. Die Wissenschaftler geben adoptive T-Zellen und gleichzeitig bispezifische Antikörper. Die adoptiven T-Zellen werden mit einem Rezeptor beladen, der ein bestimmtes tumorspezifisches Molekül auf der Oberfläche der Magenkrebszellen erkennen kann. Das eine Ende der bispezischen Antikörper erkennt wiederum ein Molekül, mit dem die Forscher die Oberfläche der adoptiven T-Zellen markiert haben. Das andere Ende bindet an ein weiteres Oberflächenprotein auf den Tumorzellen. Auf diese Weise werden wahrscheinlich besonders viele, nur gegen den Tumor gerichtete T-Zellen im Krebsherd angereichert.

„Auch diese Behandlung ist kein Allheilmittel”, warnt Endres, „aber im Tierversuch ist die Summe der Wirkungen besser ist als die Summe der Einzelwirkungen beider Ansätze.” Die Tumore der Mäuse wuchsen nur bis zu einem Zehntel der Größe im Vergleich mit Tumoren bei unbehandelten Mäusen. „Wir wollen den genauen Wirkmechanismus erforschen”, sagt Endres, „Fernziel ist es, die Therapie so zu optimieren, dass alle Tumorzellen verschwinden.”

Quelle: Jahresbericht 2012 (Text und Bildnachweis)