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Entzündliche Botenstoffe: Böse Buben, gutes Werk

30. August 2023

Herzinfarkt oder Schlaganfall sind Erkrankungen, die jedes Jahr Millionen von Menschen das Leben kosten. Verursacht werden sie durch den Prozess der Atherosklerose, im Volksmund auch Arterienverkalkung genannt. Bei der Entstehung der Atherosklerose in den Gefäßwänden spielen unter anderem Fresszellen (Makrophagen) eine besonders relevante Rolle und werden durch ganz bestimmte Botenstoffe des Immunsystems im Sinne einer schädlichen Dauerentzündung rekrutiert. Aber diese Botenstoffe haben zwei Gesichter, wie Forschende des LMU Klinikums um Dr. Kami Pekayvaz und Prof. Dr. Konstantin Stark von der Medizinischen Klinik I in Großhadern zusammen mit Kollegen anderer Institutionen jetzt entdeckt haben: Die ansonsten entzündungsfördernd wirkenden Botenstoffe sind innerhalb der Gefäßwand – ausgeschüttet von Gefäßmuskelzellen – überraschenderweise entzündungshemmend. Neue anti-entzündliche Therapien in der Forschung sollten diesen Effekt berücksichtigen, um einen maximalen Effekt zu erreichen. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt im hochrangigen Fachjournal Immunity veröffentlicht.

Atherosklerose entsteht, wenn Cholesterinablagerungen sich in der Wand von Blutgefäßen ansammeln und Entzündungszellen in die Gefäßwand einwandern. Dort baut sich eine schädliche Entzündungsreaktion auf, die sich verselbstständigt, chronisch wird und zu Ablagerungen führt, die im Fachjargon Plaques genannt werden. Sie verengen die Gefäße. Mehr noch: Auf den Plaques können Gerinnsel entstehen und sich lösen, durch das Blut wandern und Gefäße im Herzen oder im Gehirn verstopfen. Dadurch entsteht ein Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Makrophagen gehören zu den Immunzellen, die in den Geweben unseres Körpers unter anderem Zelltrümmer entsorgen und weitere wichtige Funktionen erfüllen. Aber: Sie sind auch wesentlich an der atherosklerotischen Plaque-Bildung in der Gefäßwand beteiligt. „Bisher war nur bekannt, wie die Fresszellen zur atherosklerotischen Ablagerung rekrutiert werden und zur Krankheitsentstehung beitragen“, sagt Dr. Kami Pekayvaz, Erstautor der Studie. Dabei spielen bestimmte Botenstoffe des Immunsystems – CCL2 und MIF genannt – eine entscheidende Rolle.

Die Forschenden untersuchten in ihrer Studie nun mittels moderner Analyse-Methoden detailliert, was nach der Rekrutierung von Fresszellen in die Gefäßwand geschieht. Sie entschlüsselten, wie Muskelzellen in der Gefäßwand das lokale Entzündungsmilieu aktiv beeinflussen – und machten eine überraschende Entdeckung: Gefäßmuskelzellen schütten die als besonders schädlich geltenden Botenstoffe CCL2 und MIF aus, die stark auf die Funktion und die Verteilung von Fresszellen wirken.

Dies führt aber nicht zu einer entzündungsfördernden Beeinflussung von Fresszellen, sondern sichert die normalen, gesunden Funktionen der Fresszellen. Denn als die Wissenschaftler die Ausschüttung von CCL2 und MIF verhinderten, starben die Makrophagen ab oder arbeiteten nicht mehr richtig, „was die Entstehung der Gefäß-Entzündung und der Atherosklerose beschleunigte“, sagt Pekayvaz. Abhängig vom Ort in der Gefäßwand entfalten die eigentlich bösen Buben mithin einen schützenden Effekt für den atherosklerotischen Prozess, der weltweit Millionen Menschen das Leben kostet. Diese Entdeckung ist sehr wichtig für die weitere Herz-Kreislauf-Forschung, denn in ihren Laboren arbeiten Forschende weltweit an antientzündlichen Therapien. „Diese Therapien sollten aber nicht die potentiell vorteilhaften Effekte der Botenstoffe in gewissen Bereichen des Gefäßsystems blockieren und sollten somit zellspezifisch sein“, sagt der Münchner Forscher, „um die Wirkung dieser innovativen Behandlungsansätze optimal zu gestalten“.

Um dem molekularen Mechanismus hinter dem schützenden Prozess auf die Spur zu kommen, holten sich die Mediziner die Expertise von Prof. Dr. Matthias Mann und Dr. Johannes Müller-Reif, ebenso Erstautor der Studie, vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried. Mittels sogenannter Massenspektroskopie-basierter Proteomik wurden fast 2.700 aktive Proteine in den Blutplättchen der Bären quantifiziert. Entscheidend dabei: In Winterruhe wurden gegenüber der Sommeraktivität 71 Proteine hoch- und 80 herunterreguliert. Johannes Müller-Reif: „Das Blutplättchen-Protein mit dem größten Unterschied zwischen überwinternden und aktiven Bären war das Hitzeschockprotein 47, das in den überwinternden Bären um das 55-fache herunterreguliert war.“ Insbesondere konnten die Forscher zeigen, dass die Herabregulation dieses HSP47 unter Langzeit-Immobilisation in verschiedenen Säugetierarten (Mensch, Braunbär und Schwein) passiert und somit ein evolutionär konservierter Mechanismus zur Thromboseprävention ist.

Titel der Originalarbeit

K Pekayvaz, C Gold, P Hoseinpour, A Engel, A Martinez-Navarro, L Eivers, R Coletti , M Joppich, F Dionísio, R Kaiser, L Tomas, A Janjic, ... , S Massberg, K Stark ,
Mural="" cell-derived="" chemokines="" provide="" a="" protective="" niche="" to="" safeguard="" vascular="" macrophages="" and="" limit="" chronic="" inflammation="" ="" ="" ="" Immunity,="" 2023=""

="" ="" Ansprechpartner="" ="" ="" Dr.="" med.="" Kami="" Pekayvaz="" ="" Medizinische="" Klinik="" und="" Poliklinik="" I="" ="" LMU="" Klinikum="" M="" nchen="" ="" kami.pekayvaz@med.uni-muenchen.de

Quelle: LMU Klinikum