Medizinische Fakultät
print

Links und Funktionen
Sprachumschaltung

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Wie flexiblere Arbeitszeiten unseren Schlaf verbessern

23. Dezember 2020

Äußere Zwänge wie fixe Arbeitszeiten stören meist den biologischen Schlaf-Wach-Rhythmus. Fallen solche Restriktionen plötzlich weg, etwa im Homeoffice, normalisiert sich die Schlafdauer und Menschen fühlen sich wohler. Zu diesem Ergebnis kommen LMU-Wissenschaftler auf der Basis einer groß angelegten Befragung.

6:00 Uhr morgens. Der Wecker klingelt, und viele Menschen wachen wie erschlagen auf. Grund dafür sind circadiane Rhythmen. Sie gehören zu den fundamentalen Prinzipien der Biologie – selbst einfache Blaualgen nutzen solche Mechanismen. Bei Menschen steuert diese „Körperuhr“ unter anderem den Schlaf-Wach-Rhythmus. Doch gibt es eben Frühaufsteher und Spätaufsteher, diese Chronotypen kommen unterschiedlich gut mit den Zeitrahmen klar, die die Arbeitswelt vorgibt.

„Wenn ich viel früher arbeiten muss, als es meine innere Uhr vorgibt, lebe ich chronisch in einer Jetlag-Situation“, sagt Professor Till Roenneberg vom Institut für Medizinische Psychologie der LMU. „Die Diskrepanz zwischen der inneren Zeit und der sozialen Zeit quantifizieren wir mit dem sozialen Jetlag.“ Man werde quasi gezwungen, in einer Zeitzone zu leben, die sehr viel früher sei als die biologische Zeitzone. Doch es gab noch offene Fragen zu diesem Konzept.

Studie mit mehr als 11.000 Teilnehmern aus 40 Ländern

Viele Experimente fanden unter Laborbedingungen statt. Das heißt, Teilnehmer wurden von natürlichen Zeitgebern wie dem Tageslicht abgeschirmt und mussten Fragebögen ausfüllen. Nur entsprechen solche Designs eben nicht der Realität.

Für Wissenschaftler bot die COVID-19-Pandemie aber eine große Chance: Plötzlich befanden sich viele Menschen im Lockdown und im Homeoffice. Sie mussten nicht mehr früh aufstehen, um zu pendeln und um ihren Arbeitsplatz rechtzeitig zu erreichen. Außerdem hatten sie die Möglichkeit, ihre Arbeitszeiten in gewissem Rahmen flexibel zu gestalten.

Genau hier setzen Roenneberg und seine Kolleginnen und Kollegen an. Über den internetbasierten Global Chrono Corona Survey (GCCS) befragten sie Teilnehmer zu ihren Schlafzeiten an Arbeitstagen und an freien Tagen, zur Nutzung von Weckern respektive Smartphones und zur Zeit, die sie im Freien bei Tageslicht verbrachten. Sie verglichen Angaben vor der Pandemie und während des Lockdowns.

11.431 Erwachsene aus 40 Ländern nahmen zwischen dem 4. April und 6. Mai 2020 an der Befragung teil. Die endgültige Stichprobe bestand aus 7.517 Personen (68,2 % Frauen). Sie hatten im Mittel für 32,7 Tage Einschränkungen aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie erlebt, was vermutlich zur Anpassung ihrer Zeiten an die innere Uhr geführt hat.

Die Chronotypen selbst blieben in der Studie erhalten. Allerdings verschob sich die Schlafmitte an Werktagen um 50 Minuten und an freien Tagen um 22 Minuten nach hinten. Die Schlafdauer erhöhte sich an Werktagen um 26 Minuten, verkürzte sich aber an freien Tagen um neun Minuten. „Interessanterweise veränderte sich die Schlafdauer bei Menschen vor allem, wenn sie zuvor kürzer als 8,5 Stunden war“, erklärt der Forscher. Bei den Probanden ging der soziale Jetlag relativ um 30 Minuten zurück. Absolute Werte von bis zu 20 Minuten werden wohl toleriert.

„Wir sehen also, dass viele Menschen mehr Schlaf brauchen, als sie sich zugestehen“, fasst Roenneberg zusammen. Weniger sozialer Zeitdruck fördert eben den Schlaf, verringert den sozialen Jetlag und verbessert das Wohlbefinden. Der Wecker bleibt ausgeschaltet.

Titel der Originalarbeit:

Korman M, Tkachev V, Reis C, Komada Y, Kitamura S, Gubin D, Kumar V, Roenneberg T
COVID-19-mandated social restrictions unveil the impact of social time pressure on sleep and body clock
Sci Rep 2020;10(1):22225

Ansprechpartner

Prof. Dr. Till Roenneberg
Institut für Medizinische Psychologie
+49 89 2180 75650

Quelle: LMU