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Wem hilft ein Defibrillator?

2. September 2019

EKG-Verfahren zeigt Erfolgsaussichten von implantierbaren Defibrillatoren

Implantierbare Defibrillatoren können Leben retten, bergen aber auch Risiken. Das EKG-Verfahren „Periodic Repolarization Dynamics“ kann helfen, die Patienten zu identifizieren, die am ehesten von einer Implantation profitieren. Das zeigt eine große europäische Studie eines Teams um Forscher des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, der Technischen Universität München (TUM) und der Universität Göttingen, die im Fachmagazin „The Lancet“ erschienen ist. Die Ergebnisse hat Erstautor Prof. Axel Bauer (Klinikum der LMU/Medizinische Universität Innsbruck) außerdem am Montag, 2. September, auf dem Europäischen Kongress für Kardiologie in Paris in einer „Late Breaking Science“-Sitzung präsentiert.

bauer Prof. Dr. Axel Bauer

Bei lebensbedrohlichen Herz-Rhythmus-Störungen kann ein starker elektrischer Impuls den Herzmuskel wieder in den richtigen Takt bringen. Genau das ist die Aufgabe von Defibrillatoren, die wie Herzschrittmacher in den Brustkorb eingesetzt werden. Die aktuellen ärztlichen Leitlinien sehen vor, dass diese Geräte bei bestimmten Herzerkrankungen vorbeugend eingesetzt werden. In der EU geschieht das jährlich mehr als 100.000-mal. Das bedeutet,nicht nur hohe Kosten für das Gesundheitssystem, die Geräte stellen auch ein Risiko dar: Schätzungen zufolge kommt es bei jedem vierten eingesetzten Defibrillator innerhalb von zehn Jahren zu erheblichen Komplikationen – von Infektionen bis hin zu spontanen Stromschlägen.

Die Großstudie EU-CERT-ICD hat daher europaweit den Nutzen von prophylaktisch implantierten Defibrillatoren untersucht. Ein wesentliches Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Erstautor Prof. Axel Bauer (Klinikum der LMU/Medizinische Universität Innsbruck) und die beiden Letztautoren Prof. Georg Schmidt (TUM) und Prof. Markus Zabel (Universitätsmedizin Göttingen) war es in einer Substudie des EU-CERT-ICD Projekts, Patienten zu identifizieren, die von der OP besonders profitieren.

PRD: ein Indikator der elektrischen Instabilität des Herzens

Bei jedem Herzschlag wird das Herz natürlicherweise elektrisch erregt und die Erregung anschließend wieder zurückgebildet. Bei Herzschwäche kommt es häufig zu einer Überaktivität des Sympathikus, eines Teils des autonomen Nervensystems, der unter anderem in Stresssituationen aktiv ist. Dadurch kann sich die Erregungsrückbildung des Herzens destabilisieren. Ist dies der Fall, steigt das Risiko für bösartige Herzrhythmusstörungen dramatisch an. Diese gefährlichen Instabilitäten der Erregungsrückbildung können nun mit einem relativ neuen EKG-Verfahren, der sogenannten „Periodic Repolarization Dynamics“ (PRD), erkannt werden. „Obwohl hinter dem Verfahren intelligente Algorithmen stecken, ist die Messung doch vergleichsweise einfach“, erläutert Axel Bauer, der zusammen mit Georg Schmidt die Methode entwickelt und validiert hat.

In ihrer prospektiven Studie begleiteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 1.371 Patientinnen und Patienten, die die aktuellen Kriterien für den Einsatz eines Defibrillators erfüllten. 968 wurden tatsächlich operiert, bei 403 entschieden sich die behandelnden Ärztinnen und Ärzte gegen einen Defibrillator.

Hoher PRD-Wert: ein Indikator für den Nutzen eines implantierbaren Defibrillators

Insgesamt reduzierte die vorbeugende Implantation eines Defibrillators das Risiko, innerhalb der folgenden vier Jahre zu sterben um 43 Prozent. Patienten mit einem PRD-Wert größer oder gleich 7,5 Grad profitierten deutlich mehr, ihr Sterberisiko wurde um 75 Prozent reduziert. Lag der PRD-Wert unter 7,5 Grad, wurde die Sterberisiko nur um 31 Prozent reduziert.

„PRD könnte zu einer wichtigen Entscheidungshilfe für Ärztinnen und Ärzte werden“, sagt Georg Schmidt, Leiter der Arbeitsgruppe Biosignalverarbeitung am Klinikum rechts der Isar der TUM. „Durch die zusätzliche Information könnten wir Menschen, die von einem Defibrillator wahrscheinlich nicht profitieren werden, das Risiko eines Implantats ersparen. Stattdessen können wir uns auf diejenigen konzentrieren, deren Leben durch das Gerät mit großer Wahrscheinlichkeit verlängert wird.“ Allerdings müssen die Ergebnisse erst in weiteren Studien bestätigt werden, bevor sie Eingang in medizinische Leitlinien finden können. „Wichtig wäre unter anderem eine Untersuchung über einen längeren Zeitraum“, sagt Markus Zabel, Leiter der EU-CERT-Gesamtstudie.

Weitere Informationen

Für die Studie EU-CERT-ICD (kurz für European Comparative Effectiveness Research to Assess the Use of Primary Prophylactic Implantable Cardioverter Defibrillators) wurden seit 2014 Patientinnen und Patienten in 44 Zentren in 15 EU-Staaten untersucht. Die Studie wurde durch die Europäische Union finanziert.

Der Erstautor der Studie, Prof. Axel Bauer, hat bis Juni 2019 die Abteilung für Kardiologie (Campus Innenstadt) des LMU Klinikums geleitet; seit Juli 2019 ist er Direktor der Innsbrucker Universitätsklinik für Innere Medizin III. Mit dem Klinikum der LMU ist er weiterhin als Gastwissenschaftler affiliiert. An der Studie waren neben ihm fünf weitere Wissenschaftler des Klinikums der LMU beteiligt (Mathias Klemm (MD), Konstantinos Rizas (MD), Wolfgang Hamm (MD), Lukas von Stülpnagel (MSc) und Stefan Kääb (MD)).

Titel der Originalarbeit

Axel Bauer, Mathias Klemm, Konstantinos D Rizas, Wolfgang Hamm, Lukas von Stülpnagel, Michael Dommasch, [...] Markus Zabel.
Prediction of mortality benefit based on periodic repolarisation dynamics in patients undergoing prophylactic implantation of a defibrillator: a prospective, controlled, multicentre cohort study
The Lancet 2019. DOI: 10.1016/S0140-6736(19)31996-8

Quelle: LMU Klinikum