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Perlen im Erbgut

03. November 2018

Forscher haben erstmals systematisch die Anordnung von einzelnen DNA-Verpackungseinheiten kartiert und dabei ein neues Protein identifiziert, das an deren Anordnung beteiligt ist. Dies ermöglicht neue Einblicke in die Mechanismen der Genomorganisation.

phaser Wissenschaftler um Professor Peter Becker haben erstmals systematisch die Anordnung von Nukleosomen auf der DNA untersucht und ein neues Protein identifiziert, das zur Positionierung der Nukleosomen beiträgt.

Das Erbmolekül DNA liegt im Zellkern als DNA-Protein-Komplex vor, der Chromatin genannt wird. Dabei ist die DNA um einen Kern aus Histon-Proteinen zu sogenannten Nukleosomen gewickelt, die durch Stücke freier DNA verbunden sind. Chromatin ähnelt daher einer Perlenkette, bei der der Faden die freie DNA und die Perlen die Nukleosomen sind. Die genaue Positionierung und der Abstand einzelner Nukleosomen können wichtige Konsequenzen für die Genregulation haben und sind damit essenziell für viele Lebensvorgänge. Wissenschaftler um Professor Peter Becker vom Biomedizinischen Centrum der LMU haben erstmals systematisch die Anordnung von Nukleosomen auf der DNA untersucht und ein neues Protein identifiziert, das zu ihrer Positionierung beiträgt. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Molecular Cell.

Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass bei zahlreichen aktiven Genen eine Gruppe aus mehreren Nukleosomen zu finden ist, die in sehr regelmäßigen Abständen aufeinander folgen. Ein solches nicht zufälliges Arrangement wird als Nukleosomen-Phasing bezeichnet. „Diese Gruppen könnten wichtige genregulatorische Stellen auf der DNA anzeigen“, sagt Sandro Baldi, der Erstautor der Studie, „deshalb haben wir im Genom der Taufliege Drosophila melanogaster gezielt nach ihnen gesucht.“ Dazu kartierten die Wissenschaftler zunächst genomweit alle Nukleosomen. Mithilfe einer neuen Datenanalysemethode identifizierten und katalogisierten sie dann alle Stellen, an denen Nukleosomen in Phasen auftreten, also in regelmäßigen Abständen angeordnet sind.

Etwa die Hälfte der regelmäßig verteilten Nukleosomen, die die Wissenschaftler entdeckten, befanden sich in der Nähe aktiver Gene. Damit bestätigten sie, dass das Phasing tatsächlich mit der Genaktivität zu tun hat. „Zu unserer Überraschung war die andere Hälfte der regelmäßig angeordneten Nukleosomen aber weder mit Genen noch anderen regulatorischen DNA-Regionen assoziiert“, sagt Baldi.

Um die Mechanismen der Nukleosomenpositionierung weiter zu untersuchen, entwickelten die Wissenschaftler eine neue Methode, mit der sie das Drosophila-Chromatin im Reagenzglas künstlich zusammenbauen konnten. Dabei fügten sie zu isolierter Fliegen-DNA einen Extrakt aus den Drosophila-Eiern zu. Dieser Extrakt enthält alle Faktoren, die für die Entwicklung benötigt werden, unter anderem Histon- und Chromatin-Proteine. „Innerhalb von einer Stunde bildet sich dann weitgehend dieselbe Chromatin-Struktur wie in Taufliegen“, sagt Becker. Vor allem werden bei diesem Vorgang die Nukleosomen-Gruppen, die nicht mit aktiven Genen in Verbindung stehen, korrekt platziert. Bei diesen Experimenten stießen die Wissenschaftler auf ein bisher unbekanntes Protein, das an die DNA bindet und bewirkt, dass sich eine Gruppe von Nukleosomen regelmäßig um die Bindestelle anordnet.

„Dieses neue Protein hat vermutlich eine wichtige Rolle in der Genomorganisation, da es einer der Hauptfaktoren für Phasing ist. Deshalb haben wir es auch Phaser genannt“, sagt Becker. „Ob Säugetiere ein ähnliches Protein haben, muss noch geklärt werden. In jedem Fall wird es sehr spannend sein, die Funktionen solcher ‚Phaser’-Proteine zu entschlüsseln. Unsere In-vitro-Rekonstitution von Chromatin ermöglicht aber auch Einblicke in weitere Mechanismen der Genomorganisation und kann daher dazu benutzt werden, viele Aspekte der Genombiologie im Detail zu untersuchen.“

Titel der Originalarbeit

Sandro Baldi, Dhawal S. Jain, Lisa Harpprecht, Falk Butter, Tobias Straub, Peter B. Becker.
Genome-wide Rules of Nucleosome Phasing in Drosophila
Molecular Cell 2018; DOI: 10.1016/j.molcel.2018.09.032

Quelle: LMU