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In Äthiopien in Jimma initiiert das Dr. von Haunersches Kinderspital ein Neonatology Project

19. Oktober 2017

Mit dem seit einem Jahr bestehenden kinderchirurgischen Projekt JimmaChild unter der Leitung von PD Dr. med. Jochen Hubertus und Dr. med. Kristina Becker (Kinderchirurgische Klinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital), wurde bereits ein erfolgreicher Schritt zur Bekämpfung der Kindersterblichkeit getan.

Ca. 1600 Neugeborene werden pro Jahr in der Neonatologie des Krankenhauses der Universität Jimma (Äthiopien) behandelt. Von diesen Kindern versterben ca. 150 – 200 pro Jahr. Die Mortalität von Kindern in den ersten 5 Lebensjahren konnte in Äthiopien seit 2002 deutlich reduziert werden. Die Säuglingssterblichkeit ist mit 51,5% pro 1000 Lebendgeborenen jedoch unverändert hoch geblieben. Damit befindet sich Äthiopien auf Rang 32 von 224 erfassten Ländern (The World Factbook). Das Projekt Jimma Child ist Teil einer Kooperation zwischen der Jimma University (JU) in Äthiopien und der Kinderchirurgischen Klinik am Dr. von Haunerschen Kinderspital in München. Bereits seit 2002 besteht eine wissenschaftliche Kooperation zwischen der JU und der LMU (Jimma University-LMU-Link). Zur Etablierung der Kinderchirurgie am Universitätsklinikum in Jimma erhalten aktuell zwei äthiopische AllgemeinchirurgInnen eine kinderchirurgische Facharztausbildung – unterstützt durch KinderchirurgInnen der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie. Durch einen verbesserten Zugang zu kinderchirurgischen Leistungen in Jimma soll langfristig ein Beitrag zur Verringerung der Kindersterblichkeit und körperlichen Beeinträchtigungen sowie zur Erhöhung der Lebensqualität der behandelten Kinder in der Region erreicht werden.

jimma_project Das Projekteam Victoria Lieftücher und Andreas W. Flemmer bei der Schulung der teilnehmenden Kinderärzte

Darüber hinaus erfährt die JU eine nachhaltige strukturelle Stärkung der Lehre durch die Einführung einer kinderchirurgischen Facharztausbildung. Die Ausbildung der ChirurgInnen erfolgt vor allem in Jimma, mit Ausnahme einer vierwöchigen Hospitation am Haunerschen Kinderspital in München. Innerhalb von 3 Jahren werden die ChirurgInnen ausgebildet, die regional typischen, kinderchirurgischen Krankheitsbilder adäquat zu behandeln. Die ersten äthiopischen Kinderchirurgen aus Jimma sollen im Anschluss an ihre Ausbildung weitere Ärzte/innen ausbilden. So wird die Beständigkeit des Projektes langfristig gesichert. Die Gesamtdauer ist auf vier Jahre angelegt, mit Beginn der ersten Aktivitäten im Januar 2016 und dem Abschluss des Projektes im Dezember 2019. Partnerseitig wird die Ausbildung von einem Oberarzt der Allgemeinchirurgie in Jimma geleitet, dieser soll im Anschluss an die Ausbildung Abteilungsleiter der neu eingerichteten kinderchirurgischen Abteilung werden. Das kinderchirurgische Projektteam des Dr. von Haunerschen Kinderspitals ist für die Projektsteuerung hinsichtlich Kosten, Zeitplan und allgemeine Koordination sowie für die Qualitätssicherung der Maßnahmen zuständig und wurde vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördert.

Es fehlt eine zentrale Monitorüberwachung

Nach einem Jahr wurde nun im Mai 2017 ein Workshop zur Evaluation der Projektes JimmaChild durchgeführt. Bereits im Vorfeld zeigte sich, dass vor allem die Neugeborenen und Säuglinge postoperativ häufiger verstarben als ältere Kinder, da die postoperative Versorgung in der Neonatologie v.a. durch mangelndes Monitoring und fehlende parenterale Ernährungsmöglichkeiten eingeschränkt ist. Daraus entstand die Idee eines Folgeprojektes von JimmaChild, speziell für den Bereich Neonatologie. Während des Workshops im Mai wurde deshalb einer 'Ist-Analyse' der aktuellen Gegebenheiten in der Neonatologie in Jimma besonderer Raum gegeben.

Aktuell werden im Universitätsklinikum der Jimma University alle Kinder > 28 SSW auf der Neugeborenenintensivstation (NICU) versorgt. Das Gestationsalter wird nach dem Ballard Score berechnet, da es in Äthiopien keine organisierte Schwangerenvorsorge gibt. Im Klinikum gibt es eine neonatologische Abteilung – jedoch ohne speziell neonatologisch geschulte Kinderärzte. Die Station untersteht der Leitung der Kinderklinik. Oberärzte und Assistenten rotieren monatlich, so dass es kaum Kontinuität auf der Station gibt. Einige Schwestern haben eine 1 monatige neonatologische Zusatzausbildung in Addis Ababa, der ca. 300 km entfernten Hauptstadt von Äthiopien, erhalten. Aufgrund der Arbeitsbedingungen (beengte Räume, Hitze) wechseln aber auch die Schwestern fast alle 2 Jahre die Abteilung. Ab Sommer 2017 ist ein Intensivkurs für Schwestern geplant (6 Ausbildungsplätze), welche dann im Verlauf die übrigen Schwestern der Station schulen sollen.

Die NICU verfügt aktuell über sehr wenig Platz, ca. 6-8 Kinder sind auf zwei ca. '4qm-große' Zimmer verteilt; mangelnde Hygiene v.a. auch aufgrund der Platzsituation sorgt oft für schwere Infektionen der Kinder. Bis auf Glucose-Infusionslösungen gibt es keine Möglichkeit einer parenteralen Ernährung. Die Erstversorgung aller Neugeborenen ist wenig standardisiert und unterliegt den Geburtshelfern. Pädiater und Schwestern der NICU werden wenig bzw. spät hinzugezogen. Es fehlt eine zentrale Monitorüberwachung und die gesamte Station teilt sich ein einziges funktionierendes Pulsoxymeter. Es gibt keine Sauerstoffmischgeräte, so dass alle Kinder mit Atemstörungen mit 100% Sauerstoff versorgt werden. Häufig fehlen Wasser und Elektrizität und die Möglichkeit einer Raumklimatisierung ist in keinem Patientenzimmer gegeben.

Gemeinsam soll ein Curriculum für Schwestern und Ärzte der Neonatologie erarbeitet werden

In Anlehnung an JimmaChild ist deshalb nun geplant, dass erfahrene Assistenzärzte bzw. Kinderärzte vor Ort eine neonatologische Aus- und Weiterbildung erhalten. Diese sollen ein Curriculum im Sinne des europäischen Syllabus für die Weiterbildung in der Neonatologie absolvieren und anschließend am Aufbau eines Neonatologischen Departments beteiligt sein. Durch die Verbesserung der Versorgung von Neonaten und Säuglingen wird vor allem eine Reduktion der neonatalen Sterblichkeit angestrebt. Eine möglichst genaue Datenerhebung in der Neonatologie und der Geburtshilfe vor Ort, wird eine gezieltere Aussage über Sterblichkeitsrate und –ursachen bei den Neugeborenen ermöglichen.

Während des Mai-Workshops wurde also mit den Kollegen in Jimma vereinbart, gemeinsam ein Curriculum für Schwestern und Ärzte der Neonatologie zu erarbeiten, in Anlehnung an vorhandene Curricula aus Addis Ababa (Black Line University Hospital) und dem 'European Curriculum and Syllabus for Neonatology'. In Jimma zeigte sich außerdem, dass die Neugeborenenerstversorgung im Kreißsaal nicht standardisiert abläuft und das Team der Neonatologie meist erst im Verlauf konsultiert wird.

Ein Basisreanimationstraining des geburtshilflichen Personals und des Neonatologieteams entsprechend den ILCOR-Guidelines würde bereits helfen, beeinträchtigte Neonaten besser versorgen zu können.

Grundsätzlich sollte das Projekt (ähnlich JimmaChild) im Verlauf einen Wissens- und Erfahrungstransfer durch ca. 4-wöchige Einsätze deutscher bzw. europäischer Neonatologen und Schwestern vor Ort ermöglichen, bestimmte Handlungsabläufe wie z.B. Kangorooing oder einfache Hygienestandards zu vermitteln.

Bei Interesse an unserem zukünftigen Projekt in Jimma, freuen wir uns über Ihre Zuschrift.
victoria.lieftuechter@med.uni-muenchen.de

Quelle: Hauner Journal: Victoria Lieftüchter, Andreas W. Flemmer (Text und Bildnachweis)