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Dem kindlichen Krebs auf der Spur

Kinderchirurgen betreiben auch genetische Forschung. Sie haben beispielsweise Veränderungen im Erbgut von kindlichen Lebertumoren entschlüsselt.

Lebertumoren kleiner Kinder sind genetisch viel einfacher gestrickt als die von Erwachsenen“, sagt Prof. Roland Kappler von der Klinik für Kinderchirurgie. Das ist eine der zentralen Erkenntnisse des Teams um den Forscher, das die gesamten Gene in den Krebszellen der Kinder untersucht hat. Das Ziel: zu erkennen, welche Gene verändert sind und ob diese Mutationen die Entstehun

Die Münchner Forscher können derlei Spitzenforschung betreiben, weil sie erstens trotz der Seltenheit dieser Krebsart Tumormaterial vieler Patienten zur Verfügung haben – bedingt durch die Operationen im eigenen Hause. Zweitens haben sie Zugang zu modernsten Techniken, mit denen sich „in einem Rutsch“ alle Gene in einer Zelle Buchstabe für Buchstabe untersuchen lassen. So kann man Mutationen in wichtigen krebsfördernden Genen auf die Spur kommen.

Ergebnis: Nur wenige Gene in den Zellen des Hepatoblastoms sind krankhaft verändert. Dennoch kommen einige Mutationen „gehäuft“ vor, wie Kappler sagt. Vor allem das Gen für das Protein „Beta-Catenin“ im „Wnt-Signalweg“ der Zellen ist in 85 Prozent aller Patienten mutiert, und zwar an ganz speziellen Stellen des Gens. Aber: Diese und andere Mutationen in den wenigen weiteren veränderten Genen genügen nicht, um den Tumor vollends wachsen zu lassen.

"Die moderne Krebstherapie fordert Biomarker"

Höchstwahrscheinlich kommen mithin „epigenetische“ Faktoren hinzu, die die Krebsentstehung vorantreiben. Das sind keine Veränderungen der DNA-Sequenz selbst, sondern chemische Modifikationen der DNA in Form von sogenannten Methylierungen. Diese Veränderungen beeinflussen die Aktivität von Genen, schalten sie (länger) an oder ab. Die Münchner Forscher schauen sich jetzt genau an, an welchen Stellen im Erbgut auffällige Methylierungsmuster der DNA vorkommen, möglicherweise in der Nähe von Genen, die das Wachstum von Zellen kontrollieren. Erste Kandidaten, die während der Embryonalentwicklung eine wichtige Rolle spielen, sind bereits in Verdacht.

Die Studien sollen jetzt auf internationaler Ebene mit mehr Patienten fortgesetzt werden. Das Ziel ist klar: Zum einen gilt es, Ansatzpunkte für neue Medikamente gegen diese kindlichen Lebertumoren zu finden. Das mutierte und damit überaktive Beta-Catenin-Gen ist ein erster solcher Ansatzpunkt. Zum anderen fordert die moderne Krebstherapie sogenannte Biomarker „für eine risikoangepasste Therapie“, wie Kappler betont. Biomarker sind messbare biologische Eigenschaften, die den Ärzten in diesem Fall anzeigen, wie aggressiv sie einen individuellen Tumor behandeln sollten. Das würde manchen Kindern Nebenwirkungen einer hochdosierten Chemotherapie ersparen. Eine kürzlich lancierte Studie mit Kollegen aus Frankreich und Spanien hat bereits einen ersten vielversprechenden Marker geliefert.

Blutschwämme von Kindern werden jetzt nicht mehr operiert, sondern mit einem Medikament effektiv behandelt.

schweinitz Professor Dr. Dietrich von Schweinitz, Direktor der Klinik für Kinderchirurgie im Dr. von Haunerschen Kinderspital

Blutschwämme sind ein häufiges Phänomen: Drei bis fünf Prozent aller Kinder werden mit diesen rot schimmernden, gutartigen Tumoren geboren. Weit über 90 Prozent verschwinden von allein. „Aber es gibt Blutschwämme, die bleiben und dazu noch sehr groß oder störend sind“, sagt Prof. Dietrich von Schweinitz, Direktor der Kinderchirurgischen Klinik. Oder, wenn sie am Augenlid sitzen, behindern sie sogar die Sicht.

In solchen Fällen griffen die Ärzte bis vor Kurzem noch zu Skalpell oder Laser. Die entsprechende Entfernung der Blutschwämme klappt zwar hervorragend, hinterlässt aber Narben. Jetzt aber werden die Kinder schonender behandelt: mit einem Medikament, das ursprünglich für Patienten mit Herzschwäche entwickelt wurde. Dieses Propanolol haben unter anderem die Ärzte der Kinderchirurgischen Klinik mehrere Jahre lang in einer Studie bei ihren Patienten getestet. Ergebnis: „Es wirkt fast immer“, wie von Schweinitz erklärt, „binnen weniger Tage beginnt die Rückbildung der Blutschwämme.“ Die Kinder bekommen es mehrere Wochen lang als Saft. Säuglinge bis zum sechsten Monat müssen zu Beginn der Therapie allerdings zwei Tage lang in der Klinik bleiben, bis die optimale, nebenwirkungsarme Dosis eingestellt ist. Insgesamt also eine schonende und erfolgreiche Behandlung ohne Narben, „durch die wir uns selbst abgeschafft haben“, wie der Kinderchirurg feststellt.

Quelle: Jahresbericht 2014 (Text und Sprachnachweis)