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Lungenforschung

Es hat lange gedauert, bis das Thema Lungenkrankheiten ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen ist und sich aus dem scheinbar übermächtigen Schatten von Krebs- und Herzkreislauferkrankungen befreit hat.

eickelberg Professor Dr. Oliver Eickelberg
„Für die Lungenfibrose erwarte ich ein Medikament”

Entsprechend hat die medizinische Wissenschaft unseres Atemorgans erheblichen Nachholbedarf – was auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung erkannt und mit der Gründung des Deutschen Zentrums für Lungenforschung gewürdigt hat. Am Forschungsverbund aus sechs bundesweiten Standorten beteiligt, ist das Münchner Translationszentrum für Lungenforschung „Comprehensive Pneumology Center” (CPC) mit seinem Chairman Prof. Oliver Eickelberg. Von der Gründung des Deutschen Zentrums für Lungenforschung erhofft sich der Inhaber des Lehrstuhls für experimentelle Pneumologie der Ludwig-Maximilians- Universität mittel- bis langfristig „deutliche Fortschritte in der Therapie.”

Längst war der Schritt hin zu einer konzertierten Erforschung von Lungenerkrankungen fällig, zählen sie doch schon jetzt zur weltweit zweithäufigsten Todesursache. Es geht um Leiden wie den Lungenkrebs, die Lungenentzündung, das Asthma bronchiale oder kaum bekannte, aber verheerende Krankheiten wie den Lungenhochdruck oder die Lungenfibrose. Sie werden im CPC ebenso beleuchtet wie die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) mit chronisch-obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem. Bedingt durch den Lebensstil (Stichwort: Rauchen) und Umweltschadstoffe werden nach Expertenschätzungen zukünftig dramatisch mehr Menschen an der COPD erkranken und sterben. Derzeit sind in westlichen Industrieländern rund 15 Prozent der über 40jährigen daran erkrankt. Ihre Bronchien verengen sich. Sie bekommen immer weniger Luft. Schließlich werden die kleinen Lungenbläschen – hier tauscht der Körper Kohlendioxid gegen frischen Sauerstoff aus – langsam, aber unaufhaltsam abgebaut. Ärzte können die Symptome nur lindern, nicht aber die Ursache der Erkrankung bekämpfen.

„Wir stehen an der Schwelle zur Anwendung des Antikörpers am Menschen”

Die Münchner Forscher wollen den Verlust von Gewebe stoppen, indem sie bestimmte Moleküle molekularer Signalwege aktivieren, die zu Wachstumsprozessen führen – wie etwa der so genannte WNT/β-Catenin-Signalweg. Erstmals hat ein CPC-Team in Gewebe aus Tiermodellen und COPD-Patienten nachgewiesen, dass der Signalweg heruntergefahren ist. „Damit funktioniert die Regeneration des Lungengewebes nicht mehr richtig”, erklärt Prof. Eickelberg. Mit Lithiumchlorid, aber auch mehreren kleinen Molekülen ließ sich der Signalweg gezielt auf Normalmaß hochfahren. Das Lungengewebe von Mäusen mit COPD-ähnlichen Symptomen verbesserte sich daraufhin deutlich. In die Regeneration des Systems waren offenbar verschiedene Zelltypen involviert. Nach den ersten Versuchen steht allerdings noch lange nicht fest, ob die Aktivierung des WNT/β-Catenin-Signalwegs in einer neuen Therapie gegen die COPD münden könnte.

Anders bei der Lungenfibrose, „für die ich in den kommenden fünf Jahren ein Medikament erwarte, das es bis in eine klinische Zulassungsstudie schafft”, sagt Prof. Eickelberg. Allein in Deutschland leiden 30.000 Menschen an der Erkrankung, viele von ihnen an der meist aggressiv verlaufenden idiopathischen Form. Die meisten Patienten sterben nach zwei bis drei Jahren. Entgegengesetzt zur COPD bildet sich bei der Lungenfibrose überschießend Binde- und schließlich Narbengewebe. Die Wucherung zerstört die Lungenbläschen, die Lunge kann sich immer weniger dehnen, ihre Funktion lässt nach, so dass irgendwann der Gasaustausch nicht mehr funktioniert. Die Betroffenen leiden unter Atemnot, mit immer neuen Infekten und Erstickungsanfällen.

Doch die „Grundlagenforschung hat in den vergangenen fünf Jahren eine exponentielle Entwicklung hingelegt”, stellt Oliver Eickelberg fest. Auch ein CPC-Team hat die molekularen Hintergründe der Lungenfibrose erhellt: Wieder scheint der WNT-Signalweg, neben dem TGF-β-Signalweg, eine Schlüsselrolle im Krankheitsprozess einzunehmen – dieses Mal, indem er in den Epithelzellen hoch, statt wie bei der COPD herunterreguliert wird. Die Epithelzellen bilden die unmittelbare Kontaktfläche der Lunge zur Außenwelt. Sie geben verschiedene Botenstoffe ab, über die sie mit den anderen Zelltypen des Atemorgans kommunizieren – beispielsweise den Fibroblasten, die Bindgewebe produzieren. Offenbar geht bei der Fibrose die Kontrolle der Epithelzellen auf die Fibroblasten verloren. Geschädigtes Lungenepithel stellt nach den Erkenntnissen der Münchner Forscher vermehrt WISP1 her, ein Protein aus dem WNT/β-Catenin-Signalweg, und schüttet es in den Zellzwischenraum aus. Das wiederum stimuliert Bindegewebszellen zu einer gesteigerten Kollagenproduktion, was zur Fibrose führt. Mit einem passgenau geformten Antikörper haben die Forscher WISP1 neutralisiert und die Lungenfunktion von Mäusen mit Lungenfibrose entscheidend gesteigert und zwar spezifisch, weil bestimmte, zur Fibrosierung nötige Gene in den Bindegewebszellen nicht mehr angeschaltet wurden. Die Kollagenablagerungen in der Lunge nahmen ab, die Lungenarchitektur normalisierte sich, die Mäuse konnten wieder freier atmen.

„Wir stehen an der Schwelle zur Anwendung des Antikörpers am Menschen”, sagt Prof. Eickelberg. Allerdings stellt sich noch ein substanzielles Problem: Einem Tier kann man das Medikament mit einer Pipette, in einem Tropfen aufgelöst, direkt in die Lunge geben. Im Menschen muss man die Substanz „vernebeln”, wie Oliver Eickelberg sagt, damit sie eingeatmet werden kann. Es ist vergleichsweise leicht, biologische Substanzen einer bestimmten Größe mittels moderner Inhalationssysteme in die Lungen einzuschleusen. Das Problem folgt danach: Das Organ ist dafür gemacht, alle möglichen eingeatmeten Stoffe aus der Umwelt auf verschiedene Weise zu entsorgen, um den Körper zu schützen – die Luft sozusagen zu reinigen. Die Schutzmechanismen der Lunge zu umschiffen, damit der Wirkstoff bei den anvisierten Zellen ankommt und seine biologische Aktivität nur dort entfaltet – das ist die Herausforderung. Denn die Größenordnung, in der sich die Wissenschaftler zurecht finden müssen, liegt im Bereich von millionstel Millimetern.

„Intelligente Wirkstoff-Transportsysteme”, so Prof. Eickelberg, „sind gefragt, die das Medikament gut verpackt und zuverlässig an den gewünschten Ort bringen.” Systeme, die über passgenaue Moleküle an ihrer Oberfläche beispielsweise an einen Rezeptor binden, der nur auf Epithelzellen zu finden ist. Die nicht von Zellen des Immunsystems in der Lunge „gefressen” werden. Und die dann ihre Fracht am Zielort entlassen. Und die nicht schädlich für den Organismus sind. Ein CPC-Team arbeitet auf Basis von Nano-Partikeln an solchen Transportsystemen. Dass es funktionieren kann, haben Forscher bereits in anderen Organen bewiesen.

Quelle: Jahresbericht 2010 (Text und Bildnachweis)