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Von Zahnreißern und Badern zu Zähnen aus dem 3D-Drucker

26. Juni 2023

Vor 125 Jahren wurden an der LMU ein Zahnärztliches Institut eingerichtet und innerhalb kurzer Zeit drei Professuren für Zahnerhaltung, Zahnärztliche Chirurgie und Zahnärztliche Prothetik besetzt. Heute sind die vier Zahn-Mund-Kiefer-Kliniken am LMU Klinikum und ihre Lehrstühle die größte Einrichtung ihrer Art in Deutschland. Bei der Jubiläumsfeier am 26. Juni standen nicht nur die traditionsreiche Geschichte der Zahn-Mund-Kiefer-Kliniken im Fokus, sondern auch Behandlungsmöglichkeiten der Gegenwart und Zukunft: unter anderem 3D-Druck und digitale Verfahren in Kieferorthopädie, Chirurgie und Zahntechnik.

klinikum Ihr 125-jähriges Jubiläum feiern die Zahn-Mund-Kiefer-Kliniken des LMU Klinikums in diesem Jahr. Sie blicken nicht nur auf eine lange Tradition zurück, sondern setzen im Klinikalltag auch auf zukunftsweisende Technologien. (Bild: LMU Klinikum)

Etwa zehn Zahnärzte gab es um 1860 in München bei rund 150.000 Einwohnern – mit sehr unterschiedlichen Ausbildungen. Erst seit 1853 besteht in Bayern eine Prüfungsordnung für Zahnarzneikunde. Neben zertifizierten Zahnärzten übernahmen damals Bader und Zahnreißer insbesondere gröbere Eingriffe. Zahnmedizinischen Leiden wurden im 19. Jahrhundert im Medizinstudium behandelt; meist haben Chirurgen Zähne gezogen oder Zahnkaries ausgebrannt. 1898 wurden an der LMU das Zahnärztliche Institut und kurz danach drei Professuren der Zahnheilkunde eingerichtet. Insgesamt 220 Mitarbeitende haben heutzutage die Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, die Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, die Poliklinik für Kieferorthopädie und die Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie.

Zahn-Mund-Kiefer-Kliniken der LMU sind bayerisches Aushängeschild der Zahnmedizin

„Die vier Bereiche der Zahn-Mund-Kiefer-Klinik des LMU Klinikums decken das gesamte Spektrum der modernen Zahnmedizin ab und versorgen Patientinnen und Patienten aus München und dem Umland auf dem aktuellsten Stand der Forschung und Krankenversorgung“, erläutert Prof. Dr. Dr. h.c. Bernd Huber, Präsident der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). „Wer an der LMU München Zahnheilkunde studiert, bekommt hier von der Zahnerhaltung über die Prothetik bis zur Kieferorthopädie und -chirurgie eine wissenschaftlich fundierte und praktisch exzellente Ausbildung. Persönlich wie auch im Namen der LMU München gratuliere ich sehr herzlich zum 125-jährigen Bestehen der ZMK-Klinik und wünsche alles Gute für die Zukunft!"

Unverzichtbarer Teil der medizinischen Forschung und Lehre

Als Ärztlicher Direktor sei er beim 125. Jubiläum der Zahnklinik ziemlich befangen, sagt der Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzende des LMU Klinikums Prof. Dr. Markus M. Lerch: „Einmal weil ich die große Professionalität des Teams am eigenen Leibe mehrfach erfahren habe und sehr schätze, andererseits, weil die Wissenschaft unserer Zahnklinik diese im internationalen Vergleich immer auf Platz 1 in Deutschland bewertet. Das ist doppelte Exzellenz.“

Die akademische Geschichte der Zahnmedizin sei kürzer als die manch anderer medizinischer Fächer, erläuterte Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer. „Mit den zahlreichen Schnittstellen – zum Beispiel Parodontitistherapie, multimorbide alte Menschen, Pflegezahnmedizin – hat sich die Zahnmedizin heute jedoch als unverzichtbarer Teil der medizinischen Forschung und Lehre an den Universitäten etabliert.

Prof. Dr. Reinhard Hickel, Prodekan und Direktor der Klinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, sieht als Gegensatz zu früher die heute weitgehend schmerzfreie und viel angenehmere Behandlung, die die Angst vor dem Zahnarzt erheblich reduziert hat. Weiterhin sei es heute mit neuen Techniken möglich, auch ohne Röntgenstrahlen frühzeitig Karies zu diagnostizieren und so gezielter Prophylaxe zu betreiben und weniger „bohren“ zu müssen. Gleiches gelte auch für die Parodontitis (Zahnfleischerkrankungen).

Größte Ausbildungsstätte der Zahnmedizin in Deutschland

Heute bilden die Zahn-Mund-Kiefer-Kliniken und ihre Lehrstühle jährlich mehr als 130 Studierende aus – und ist damit die größte Ausbildungsstätte der Zahnmedizin in Deutschland. Da das Zahnmedizin-Studium sehr praxisorientiert ist, sind die Studierenden fest in den Klinikenalltag integriert, zum Beispiel in der Ambulanz der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie: Dort arbeiten die Studierenden ab dem siebten Semester – unter Aufsicht von Fachärzten – direkt an Patient:innen. Zur Vorbereitung kommen in den sogenannten Phantomkursen modernste Techniken zum Einsatz: Dank 3D-Druck ist es möglich, die CT-Aufnahmen von komplexeren klinischen Fälle, zum Beispiel von Traumata, von Parodontitis oder Wurzelbehandlungen, detailgenau auszudrucken. So können die Studierenden an „echten“ Fällen üben, bevor sie die ersten Patientenbehandlungen übernehmen.

Zukunftstechnologien im Einsatz

Generell blicken die Zahn-Mund-Kiefer-Kliniken nicht nur auf eine lange Tradition zurück, sondern setzen im Klinikalltag auf zukunftsweisende Technologien. Im zahntechnischen Labor der Poliklinik der Zahnärztlichen Prothetik gehören moderne digitale Fertigungsverfahren seit Mitte der 2000er-Jahre zum Standard: Werden zum Beispiel festsitzender Zahnersatz oder herausnehmbare Prothesen benötigt, erfasst ein 3D-Mundscanner die Zähne und den Kiefer digital und zeichnet die Form und Farbe der Zahnreihen und Kiefer detailgenau auf. Auf Basis der Daten fertigt das Zahntechnische Labor mittels CAD/CAM-Technologie oder 3D-Druck dann hochpräzisen und biokompatiblen Zahnersatz an, zum Beispiel aus Zirkonoxid. Durch diese Innovationen ist die Herstellung von Zahnersatz kostengünstiger, schneller und naturgetreuer geworden. Den medizinischen Fortschritt treiben die vier Zahn-Mund-Kiefer-Kliniken auch durch eine breitflächige Forschung voran. Diese reicht von Studien zur medikamenten-assoziierten Kiefernekrose über die Untersuchungen zur Mechanobiologie und Genetik in der Kieferorthopädie bis hin zur Erforschung neuartiger Materialien in der Zahnerhaltung und Prothetik.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit bei komplexen Zahnproblemen

Gerade bei komplexeren Zahnproblemen ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Kliniken unabdingbar. So arbeiten unter anderem die Poliklinik für Kieferorthopädie und die Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in den Spezialsprechstunden zu Kieferfehlstellungen und Lippen-Kiefer-Gaumenspalten eng zusammen. Bei schwerwiegenden Kieferfehlstellungen wie einem Fehlbiss (Dysgnathie) ist zum Beispiel oft nicht nur eine kieferorthopädische Behandlung, sondern auch ein chirurgischer Eingriff, eine Osteotomie des Kiefers, nötig. Die Behandlungen werden seit einigen Jahren routinemäßig mit digitalen 3D-Planungen statt wie bisher am Gipsmodell geplant. Durch die Simulation der Operation können anatomische Besonderheiten und mögliche individuelle Risiken frühzeitig erkannt und berücksichtigt werden. Insgesamt ist die Operationszeit so kürzer, der Eingriff genauer und das Behandlungsergebnis gut voraussagbar.

Die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt

Für Menschen mit Behinderung und ältere Menschen mit Pflegebedarf ist die zahnmedizinische Versorgung besonders anspruchsvoll. Für die zahnärztlichen Belange von Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf wurde 2012 an der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie eine spezialisierte Ambulanz eröffnet, die von Dr. Marc Auerbacher geleitet wird. Bei den Behandlungen stehen die Patientinnen und Patienten mit ihren speziellen Bedürfnissen im Mittelpunkt. Durch verhaltensführende Techniken, Kommunikationsstrategien, Einfühlungsvermögen und fachliche Expertise können dort mehr Menschen mit Behinderung im Wachzustand und nicht, wie oft üblich, unter Vollnarkose behandelt werden. Technische Hilfsmittel wie ein Compact Wheelchair Recliner, der es ermöglicht die Patienten in ihrem eigenen Rollstuhl zu behandeln, erleichtern die zahnärztliche Behandlung für den Patienten und das Behandlungsteam. Diesen gibt es bisher deutschlandweit nur an der Münchner Zahnklinik.

Quelle: LMU Klinikum