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Neue ERC Grants an der LMU

05.09.2024

Millionenförderung aus Brüssel: Für Projekte von zwei Nachwuchsforscherinnen der Medizinischen Fakultät vergibt der Europäische Forschungsrat prestigeträchtige Starting Grants. Eine weitere ausgezeichnete Forscherin kommt im April 2025 an die Fakultät.

Selbstheilungsprozesse im Gehirn aktivieren

Prof. Dr. med. Dr. sc. nat. Anna-Sophia Wahl ist Professorin für Neuroanatomie am Lehrstuhl II Anatomie und Forschungsgruppenleiterin am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung (ISD) des LMU Klinikums und Mitglied im Exzellenzcluster SyNergy. Der Hauptfokus ihrer Forschung liegt auf der Frage, welche hirneigenen Reparaturmechanismen das Gehirn hat, um auf Schädigungen wie einen Schlaganfall zu reagieren, und wie diese Prozesse durch geeignete Therapien zusätzlich verstärkt werden können.

Das Gehirn verfügt über die bemerkenswerte Fähigkeit, nach einer Schädigung Selbstreparaturmechanismen in Gang zu setzen – eine Voraussetzung für die Wiederherstellung verlorener Funktionen. Im Zuge von ARISE (Activate Repair In StrokE) will Anna-Sophia Wahl grundlegende, bisher unverstandene Prinzipien aufdecken, wie die Selbstheilung des Gehirns orchestriert wird und wie man diese verbessern kann. Mithilfe modernster, hochauflösender Mikroskopie und Künstlicher Intelligenz plant sie, in Experimenten herauszufinden, wie einzelne Nervenzellen nach einer Verletzung neu verdrahtet werden, warum einige von ihnen an den Reparaturprozessen teilnehmen, andere aber nicht und wie die neuronale Wiedervernetzung stimuliert werden kann, um die Rückgewinnung gestörter Funktionen zu fördern.

„Mit ARISE werde ich eine neuartige experimentelle Strategie entwickeln, um die zellulären Mechanismen der neuronalen Reparatur zu identifizieren, welche die Grundlage für die Wiedererlangung verlorener Hirnfunktionen bilden“, sagt die Neurowissenschaftlerin. Um Schädigung, Reparatur und Verhalten miteinander in Verbindung zu setzen, nutzt sie ein von ihr speziell entwickeltes Mausmodell. „Dieser Ansatz wird es mir auch ermöglichen, mithilfe mathematischer Modellierung die Effizienz neuartiger Rehabilitationstherapien bei Schlaganfall zu bewerten und deren Ergebnisse vorherzusagen.“

Mit Viren gegen antibiotikaresistente Keime

Prof. Dr. Carolin Wendling ist seit April 2024 Professorin am Lehrstuhl für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene des Max von Pettenkofer-Instituts. Ihre Forschung konzentriert sich auf die evolutionäre Veränderung von Bakterien und deren Auswirkungen auf Pathogenität und Antibiotikaresistenz. Ihren Grant hat sie mit Helmholtz Munich eingeworben, wo sie einen Teil ihrer Forschung durchführen wird.

Die weltweit zunehmende Antibiotika-Resistenz pathogener Bakterien wird mittlerweile als globale Bedrohung angesehen, sodass alternative Behandlungsmöglichkeiten dringend benötigt werden. Eine vielversprechende Alternative bieten bakterielle Viren, sogenannte Bakteriophagen, die Bakterien infizieren und abtöten können. Die Phagentherapie, die vor über 100 Jahren entdeckt wurde, konnte sich bisher aus mehreren Gründen nicht durchsetzen, darunter die zeitaufwendige Identifizierung geeigneter Phagen und die begrenzte Wirksamkeit oral verabreichter Phagen.

Mit ihrem Projekt PHAGE-PRO (Advancing Phage Therapy through Synergistic Strategies: Phage-Mediated Killing and Competitive Exclusion using Engineered Prophages) möchte Carolin Wendling diese Nachteile überwinden. Anstelle traditionell verwendeter lytischer Phagen setzt sie auf Prophagen, welche ihre DNA in bakterielle Genome integrieren können. Diese Prophagen wird Wendling in Probiotika einschleusen, wodurch sich die In-vivo-Haltbarkeit erhöhen lässt. Die Entwicklung einer durch KI unterstützten Plattform soll zudem die Identifizierung geeigneter Phagen deutlich schneller ermöglichen. Durch die Kombination mit Probiotika strebt die Wissenschaftlerin einen doppelten Effekt an: die direkte Bekämpfung pathogener Bakterien durch Phagen und deren kompetitive Verdrängung durch Probiotika.

„PHAGE-PRO wurde ursprünglich auf die Behandlung von Salmonelleninfektionen bei Geflügel zugeschnitten, aber das Potenzial dieser neuen Technologie reicht weit darüber hinaus“, sagt Wendling. „Sie kann nicht nur das Infektionsmanagement in der Nutztierhaltung revolutionieren, sondern eröffnet auch die Tür für gezielte präventive und therapeutische Maßnahmen in der Humanmedizin.“

Dr. Anna Schroeder war bislang am Max-Planck-Institut für Hirnforschung und an der Universität Freiburg tätig und wechselt im April 2025 als Professorin für Systemische Neurowissenschaften an die LMU.

Wer überleben will, muss sein Verhalten schnell und präzise an seine Umgebung anpassen können. In einer Welt, in der sich unsere physiologischen Bedürfnisse und unsere Umgebung ständig verändern, kann schon eine falsche Bewegung den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen. Wie aber gelingt es dem Gehirn, sowohl rasche Veränderungen unseres inneren Zustands als auch externe Einflüsse zu verarbeiten und dabei langfristige Erfahrungen einzubeziehen, um momentabhängig jeweils das am besten geeignete Verhalten zu wählen?

Es gibt immer mehr Belege dafür, dass die Zona Incerta, eine wenig erforschte Gehirnregion, eine zentrale Schaltstelle für dieses adaptive Verhalten ist. Dieser subthalamische Kern hat weitreichende Verbindungen im Gehirn und reguliert, wie man kürzlich herausfand, eine erstaunliche Bandbreite an überlebenswichtigen Verhaltensweisen wie etwa Abwehrverhalten, Schlaf, Ernährung und vieles mehr. Er kodiert auch damit einhergehende Veränderungen des inneren Zustands, wie zum Beispiel Angst, Müdigkeit und Hunger, und integriert Sinneswahrnehmungen über verschiedene Sinnesmodalitäten hinweg. Diese Eigenschaften deuten darauf hin, dass eine zentrale Funktion der Zona Incerta darin bestehen könnte, notwendige Anpassungen im Verhalten auf Basis eigener innerer Zustandsänderungen lokal zu berechnen. Diese leitet die Zona Incerta dann an nachgeschaltete Zielbereiche weiter, was dann zu entsprechend adaptierten Reaktionen führt.

Diese Hypothese wird Anna Schroeder im Rahmen ihres Projekts CERTASTATES (Internal state drivers of behavioral flexibility and their underlying neural circuitry in the zona incerta) untersuchen. Sie setzt dabei modernste Methoden zur Untersuchung und Messung von Schaltkreisen im Hirn sowie In-vivo- Bildgebungstechnologien in Mäusen ein, testet verschiedene Verhaltensparadigmen und misst die korrelierenden Verhaltenszustände. Ziel ist es, herauszufinden, wie verschiedene interne Zustandsänderungen in definierten Zelltypen und Schaltkreisen verarbeitet werden, wie sie die Verhaltensflexibilität antreiben und wie sie durch tiefe Hirnstimulation beeinflusst werden. Dies ist interessant, da die Zona Incerta eines der wenigen etablierten Ziele für den therapeutischen Einsatz von tiefer Hirnstimulation beim Menschen ist. Insgesamt soll CERTASTATES das Verständnis dafür verbessern, wie neuronale Schaltkreise innere Zustände erzeugen und ihrerseits diese Informationen verarbeiten, übertragen und verwenden, um adaptives Verhalten zu steuern. Die Ergebnisse könnten einen Ansatz liefern, wie klinische Neuromodulation diese überlebenswichtigen Entscheidungsprozesse positiv beeinflussen kann.