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Mit Zaubertricks die Motorik und die Selbständigkeit stärken

28.11.2024

In der ZDF-Sendung „Magic Moves” trainieren die Ehrlich Brothers mit Kindern mit halbseitiger Lähmung Zaubertricks als Teil eines neuartigen Therapiekonzepts. Das LMU Klinikum München begleitet das Projekt medizinisch und wissenschaftlich.

Kann das Trainieren von Zaubertricks Kindern mit halbseitiger körperlicher Lähmung helfen, ihre motorischen Fähigkeiten zu verbessern und im Alltag selbstständiger zu werden? Dieser Frage gehen das ZDF und das LMU Klinikum München im neuen Format „Magic Moves“ nach. Die Idee dahinter: Zehn Kinder und Jugendliche mit Hemiparese studieren mit den Ehrlich Brothers, Deutschlands populärsten Magiern, in einem zweiwöchigen intensivtherapeutischen Camp Zaubertricks ein, um den Arm-Hand-Einsatz zu fördern. Das LMU Klinikum München hat das Therapiekonzept zusammen mit Partnern konzeptualisiert und erforscht, wie es wirkt. Die Folgen von „Magic Moves“ laufen ab dem 30. November jeweils samstags im ZDF und sonntags im KiKa.

Bis zu zwei von 1.000 Kindern in Deutschland leiden an einer Hemiparese, verursacht durch eine angeborene oder erworbene Erkrankung des Gehirns. Frühere Studien – insbesondere im Rahmen des britischen Breathe Magic Intensive Therapy Programmes auch unter Einbezug von Zaubern als Therapieansatz – legen nahe, dass intensives, gezieltes Training Netzwerke im Gehirn (re-)aktivieren und so den Arm-Hand-Einsatz verbessern kann.

Diese Annahme war unter anderem die Basis für das „Magic Moves“-Camp auf Burg Rabenstein: Zehn Kinder und Jugendliche mit Hemiparese waren bei dem zweiwöchigen Intensiv-Training dabei. Das "Magic Moves"-Therapiekonzept kombinierte vier Bausteine: zielorientierte Ergotherapie, personalisierte Neurostimulation, therapeutisch begleitete Gruppenaktivitäten wie Lagerfeuer, Quadballspielen und Magic Dinner sowie ein maßgeschneidertes Zaubertraining, das mit den professionellen Magiern entwickelt wurde.

Zaubern für die Therapie

Im Zaubertraining brachten die Ehrlich Brothers und ihre Magier-Kollegen zusammen mit dem Therapeutenteam den Kindern Gummiband-, Seil- und Kartentricks bei. Diese Kunststücke erfordern präzise Bewegungen und fördern den Einsatz beider Hände. „Die Kinder waren irgendwann an einem Punkt, wo sie gar nicht gemerkt haben, wie intensiv sie ihre gelähmte Hand eingesetzt haben“, sagt Chris Ehrlich.

Für die zielorientierte Therapie im Magic Moves-Camp haben die Kinder jeweils drei Aktivitäten ausgewählt, die für sie wegen der Hemiparese im Alltag eine Herausforderung sind – und haben diese zusammen mit dem Therapeuten-Team geübt: zum Beispiel Schuhe zu binden, Reißverschlüsse zu schließen oder einen Pferdeschwanz zu binden. Aufbauend auf ihren Fortschritten studierten die Kinder dann Zaubertricks für die Abschlussshow ein – und entwickelten bei den Auftritten vor Publikum auch ihr Selbstbewusstsein.

Magie trifft Medizin und Wissenschaft

„Alle Kinder sind in diesen zwei Wochen unglaublich über sich hinausgewachsen“, sagt Dr. Michaela Bonfert vom integrierten Sozialpädiatrischen Zentrum im Dr. von Haunerschen Kinderspital (iSPZ Hauner MUC), die zusammen mit ihren Kolleginnen Dr. Alexandra Sitzberger und Maike Marx das Projekt leitet. „Wir als ärztlich-therapeutisches Team sind unfassbar stolz auf die Kinder und auf das, was sie in so kurzer Zeit erreicht haben!“ Gemeinsam mit Sebastian Schröder, Ärztlicher Direktor des Kinderzentrums Maulbronn und Steffen Berweck, Chefarzt des Fachzentrums für pädiatrische Neurologie, Neuro-Rehabilitation und Epileptologie der Schön Klinik Vogtareuth haben sie das Therapie-Konzept entwickelt. Ein 36-köpfiges Team aus Ärztinnen und Ärzten, Ergo- und Physiotherapeutinnen und -therapeuten sowie Forschenden hat das Magic Moves-Projekt begleitet.

„Die Kombination aus der auf Alltagsziele fokussierenden Therapie, Neurostimulation und Zaubertraining ist ein neuartiger Ansatz, der sowohl die Motivation der Kinder steigert als auch ihre motorischen Fähigkeiten und damit ihre Unabhängigkeit und Teilhabe fördern kann“, sagt Dr. Alexandra Sitzberger. „Wir möchten untersuchen welchen Einfluss das therapeutische Konzept auf die Arm-Hand-Funktion und psychologische Aspekte wie Selbstwertgefühl und Lebensqualität hat.“ Mit bildgebenden Verfahren (MRT/Kernspintomographie), prüfen die Forscherinnen außerdem in Kooperation mit dem Klinikum rechts der Isar, ob sich durch das Camp erzielte Verbesserungen auch im Gehirn widerspiegeln. Neben dem modernen Therapieansatz ermöglicht „Magic Moves“ somit auch eine zeitgemäße Forschung für Kinder.

Erste wissenschaftliche Ergebnisse kommen Ende des Jahres

Die Ergebnisse dieser Studie könnten neue Impulse für zeitgerechte Behandlungskonzepte für Kinder und Jugendliche mit Hemiparese geben. Derzeit läuft die Datenauswertung, erste zusammenfassende Ergebnisse werden Michaela Bonfert und ihre Kolleginnen und Kollegen Ende des Jahres präsentieren können. „Festhalten können wir heute schon, dass die Kinder sowohl bezogen auf den Einsatz der betroffenen Hand im Alltag als auch hinsichtlich ihrer Selbstständigkeit und ihres Selbstvertrauens nachhaltig vom Camp profitiert haben“, gibt Maike Marx einen ersten Ausblick.

Das wurde auch bei der großen Zaubershow mit den Ehrlich Brothers zum Abschluss des Camps sichtbar: Dort zeigten die zehn Kinder auf einer großen Showbühne vor fast 500 Gästen, was sie alles gelernt haben. Und das hat nicht nur die Zuschauerinnen und Zuschauer bewegt: „Zauberei ist für uns die schönste Unterhaltungsform der Welt. Aber zu erleben, was Zauberei therapeutisch bewegen kann, das ist unfassbar beeindruckend, da bekomme ich jetzt wieder Gänsehaut“, sagt Andreas Ehrlich. „Vielleicht war das sogar der größte Trick in unserem Leben.“



Das ZDF zeigt „Magic Moves“ ab dem 30. November 2024 immer samstags um 19:25 Uhr. Eine für Kinder angepasste Version läuft ab dem 1. Dezember 2024 sonntags um 14:40 Uhr im KiKA.