Wie oft kommt es in Deutschland vor, dass HIV-infizierte Frauen Kinder auf die Welt bringen?
Dr. Weiß: Laut Schätzungen des Robert Koch-Instituts bringen in Deutschland jährlich 400 bis 500 HIV-infizierte Frauen Kinder zur Welt. Das war nicht immer so: Bis in die frühen 1990er Jahre wurde teilweise bei HIV-Infektion von Schwangerschaften abgeraten. Aufgrund fehlender wirksamer Behandlungsmöglichkeiten und hohen Viruslasten mussten werdende Mutter befürchten, dass eine Ansteckung von Mutter auf Kind erfolgen könnte. Außerdem war die Lebenserwartung bei HIV und Fortschreiten bis zum Vollbild AIDS deutlich reduziert.
Wie hoch ist heute das Risiko, dass sich ein Kind bei der HIV-positiven Mutter infiziert?
Dr. Weiß: Auch heute noch beträgt das Ansteckungsrisiko des Kindes ohne medizinische Intervention in Schwangerschaft und Geburt 15 bis 25 Prozent, mit Stillen sogar bis zu 45 Prozent. Für werdende Mütter, deren Viruslast dank der konsequenten Umsetzung ihrer antiretroviralen Therapie (ART) konstant unter der Nachweisgrenze liegt, beträgt das HIV-Übertragungsrisiko jedoch weniger als ein Prozent. Dadurch sind auch vaginale Geburten bedenkenlos möglich, wenn aus anderen medizinischen Gründen nichts dagegen spricht. Immer mehr Frauen entscheiden sich auch, trotz HIV- Erkrankung, für das Stillen, da auch hier das Risiko bei guter Therapie nur noch als minimal gilt. Wir können HIV-positiven Müttern durch eine wirksame ART zu einer „normalen“ Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit raten; ohne dass ein erhöhtes Risiko für eine Ansteckung des Kindes vorliegt.
An der Frauenklinik des LMU Klinikums gibt es die Spezialsprechstunde für Frauen mit HIV-Diagnose bereits seit 1989 ...
Zur Spezialsprechstunde für Frauen mit HIV-Diagnose
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Dr. Weiß: … das ist richtig. Wir betreuen HIV-positive Frauen praktisch bei allen gynäkologischen Fragestellungen. Dazu gehören neben den Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Geburt u.a. regelmäßige Krebsvorsorge-Untersuchungen, Beratung zur Verhütung oder zur Linderung von Wechseljahresbeschwerden. Auch bei Erkrankungen wie Osteoporose, Myome oder Krebsvorstufen, für die HIV-positive Frauen ein erhöhtes Risiko tragen, bietet die HIV Sprechstunde Unterstützung. Dass zu unseren Patientinnen heute auch viele ältere Frauen zählen, macht deutlich, dass die medikamentöse Therapie hochwirksam ist und Menschen mit HIV inzwischen ein weitgehend normales Leben mit normaler Lebenserwartung ermöglicht.