Nees Arbeitsgruppe Drittmittelprojekte

Drittmittelprojekte

Projekthomepage: https://imagen-prject.org/

Mit einer Lebenszeitprävalenz von 25% stellen psychische Erkrankungen ein großes Gesundheitsproblem dar (WHO-Bericht 2001). 34 Millionen Menschen waren 2004 alleine in Europa von Suchterkrankungen, affektiven Strörungen und Angsterkrankungen betroffen, mit Kosten für das Gesundheitswesen in Höhe von 204 Milliarden Euro.

Der Einsatz von bildgebenden Verfahren im Bereich der Gehirnforschung macht es möglich, Mechanismen zu erkennen, die den Persönlichkeitszügen und –störungen zu Grunde liegen. Des Weiteren können wir sie in einen Zusammenhang mit genetischen Variationen und Veränderungen im Verhalten bringen, die charakteristisch für krankhafte Entwicklungsprozesse sind.

Jüngste Fortschritte in der Genomik (Untersuchung von Genen und ihrer Expression in den Zellen) versprechen neue Möglichkeiten, Gene, die diese Prozesse beeinflussen, und ihr Wechselspiel mit der Umwelt zu untersuchen.

Eine der Hauptaufgaben dieses Projektes ist es, biologische Schlüsselressourcen, Daten aus der Bildgebung vom menschlichen Gehirn und Ergebnisse aus Tiermodellen zusammenzutragen, um dadurch herausfinden zu können, was hinter den individuellen Unterschieden im menschlichen Verhalten steckt.

Dieses Ziel kann durch die Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams, bestehend aus Spezialisten im Bereich Bildgebung, menschliche Genetik und Verhaltensforschung, erreicht werden.

Warum Jugendliche untersuchen?

75% der psychischen Störungen treten bereits vor dem 25. Lebensjahr auf. Wir wissen, dass ein wesentlicher Teil der Hirnentwicklung während der Adoleszenz stattfindet. Diese Entwicklungsprozesse während der Adoleszenz sind entscheidend für die Herausbildung von Verhaltensweisen, einschließlich der Empfänglichkeit für Belohnung und Bestrafung, der Impulsivität und der emotionalen Reaktivität, welche eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Entstehung von psychischen Störungen spielen. Da die Adoleszenz eine derart wichtige Phase der Entwicklung ist, könnten Faktoren wie beispielsweise Drogenmissbrauch und Stress, die Gefahr einer psychischen Erkrankung erhöhen.

Das Ziel von IMAGEN ist es, die Auswirkungen von Stressoren auf das Gehirn und das Verhalten zu untersuchen, um so das Risiko für psychische Erkrankungen präziser vorher sagen zu können.

Zielsetzung 1: Die Identifizierung abweichender Verhaltensweisen, die bei häufig vorkommenden psychiatrischen Erkrankungen auftreten

Um die Grundlagen von neuropsychiatrischen Erkrankungen zu verstehen, ist es wichtig, dass wir uns von der einfachen Krankheitsklassifikation lösen und uns mehr den intermediären Phänotypen, also messbaren Markern auf der Verhaltensebene, der psychologischen Ebene und der biologischen Ebene, die klinischen Diagnosen vorausgehen, zuwenden.

Besonders relevant sind individuelle Unterschiede in psychologischen Eigenschaften, die bei häufig vorkommenden psychiatrischen Erkrankungen wie Abhängigkeitserkrankungen, Angststörungen, Hyperaktivitätsstörungen, Schizophrenien, Autismusspektrumstörungen und Persönlichkeitsstörungen auftreten. In IMAGEN werden diesbezüglich die Eigenschaften Impulsivität, Empfänglichkeit für Belohnung und Bestrafung sowie emotionale Reaktivität genauer untersucht.

Zielsetzung 2: Längsschnittstudie zur Feststellung der Vorhersagekraft von psychologischen und biologischen Merkmalen

Da viele der häufig vorkommenden psychiatrischen Erkrankungen ihren Beginn im frühen Erwachsenenalter haben, liegt es nahe, dass Unterschiede in psychologischen und/ oder biologischen Prozessen während der Adoleszenz eine ursächliche oder beeinflussende Rolle in deren Entstehung spielen. Das Jugendalter stellt eine einzigartige und zugleich höchst empfindliche Zeit dar, in der viele Verhaltens- und Gehirnreifungsprozesse stattfinden.

Längsschnittstudien wie IMAGEN, die Jugendliche über einen langen Zeitraum hinweg begleiten (Untersuchungen im Alter von 14, 16, 19 und 22 Jahren) sind notwendig, um Kausalzusammenhänge zwischen biologischen und psychologischen Merkmalen zu finden, die bereits vor dem Auftreten klinisch relevanter Symptome vorliegen.

Zielsetzung 3: Genetische Studien zum Verständnis von Impulsivität, Empfänglichkeit für Belohnung und Bestrafung und emotionaler Reaktivität

Neueste technologische Fortschritte erlauben die gleichzeitige Analyse von nahezu einer Million Genen (genome-wide analysis). Zusätzlich zu diesem Ansatz erlaubt die Technologie, die Identifikation natürlich vorkommender genetischer Variationen, sogenannten Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP, single nucleotid polymorphisms), Variationen im Ein- und Ausschalten von Genen (Epigenetik) und Variationen im funktionalen Produkt eines Gens (Genexpression).

Die große Anzahl von Versuchspersonen in der IMAGEN-Studie wird es Forschern ermöglichen, diese genetischen Variationen mit psychologischen Merkmalen in Verbindung zu setzen, welche im Zusammenhang mit psychischen Störungen stehen. Beispiele für solche Merkmale sind Impulsivität, Empfänglichkeit für Belohnung und Bestrafung und emotionale Reaktivität.

Projekthomepage: https://www.imac-mind.de/

IMAC-Mind steht für: "Improving Mental Health and Reducing Addiction in Childhood and Adolescence through Mindfulness: Mechanisms, Prevention and Treatment" / "Verbesserung der psychischen Gesundheit und Verringerung von Suchtgefahr im Kindes- und Jugendalter durch Achtsamkeit: Mechanismen, Prävention und Behandlung".

Der Forschungsverbund IMAC-Mind bündelt acht Forschungsprojekte in neun Einrichtungen in sieben deutschen Städten zum Thema Suchtprävention und Suchttherapie im Kindes- und Jugendalter. Der Verbund wird im Rahmen der Förderinitiative „Gesund – ein Leben lang“ insgesamt vier Jahre lang durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert.

Prävention und Behandlung von Suchtstörungen im Kindes- und Jugendalter

Eine Suchtstörung bezieht sich in der Regel auf den schädlichen und / oder abhängigen Gebrauch missbrauchsfähiger Substanzen wie Alkohol, Tabak, Cannabis oder anderer Drogen. Im Verlauf gewinnt typischerweise ein zunehmend unkontrollierter Substanzkonsum für die betroffene Person immer mehr den Vorrang gegenüber anderen Interessen und Verhaltensweisen, die von ihr früher einmal höher bewertet wurden.

Meistens zeigen sich Suchtstörungen das erste Mal im Jugendalter und Betroffene werden dann oft über viele Jahre in gesundheitlichen und sozialen Bereichen ihres Lebens stark beeinträchtigt. Insbesondere in frühen Lebensphasen, in denen sich wichtige berufliche und soziale Weichen stellen, stellen Suchtstörungen ein erhebliches Entwicklungsrisiko dar.

Achtsamkeitsbasierte Übungen in der Suchtprävention und -behandlung

Ein wichtiger Ansatz für den IMAC-Mind Verbund sind Forschungsergebnisse, die zeigen, dass kindliche bzw. jugendliche Impulsivität, Fähigkeiten zur Selbstregulation und dem Belohnungsaufschub und die Frage ob man mit Stress gut umgehen kann, wesentlich zur Entwicklung und Aufrechterhaltung von Suchtstörungen aber auch zur therapeutischen Ansprechbarkeit (präventiver) Interventionen beitragen. Eine wachsende Literatur zeigt, dass diese entwicklungsrelevanten und prinzipiell veränderbaren neurobehavioralen Faktoren durch achtsamkeitsorientierte Interventionen günstig beeinflusst werden können.Unter Achtsamkeit versteht man die Bewusstheit, die sich durch gerichtete, nicht-wertende Aufmerksamkeit im gegenwärtigen Augenblick einstellt. Für die Behandlung von Suchtstörungen bei Erwachsenen sind achtsamkeitsbasierte Verfahren etwa zur Rückfallprävention wirksam. Ob Achtsamkeitsübungen substanzkonsumbezogene Risiken bei Kindern und Jugendlichen verringern und mögliche Effekte über selbstregulatorische Variablen vermittelt werden ist eine zentrale Frage, die im Rahmen des IMAC-Mind Verbundes in unterschiedlichen Zielgruppen untersucht werden soll [siehe Teilprojekte].

Ziele von IMAC-Mind

Übergeordnetes Ziel des Forschungsverbundes ist es, Risikofaktoren für die Entstehung von Suchterkrankungen zu identifizieren und diagnostische Verfahren zu verbessern und die Prävention und therapeutische Versorgung von Suchtstörungen in verschiedenen Entwicklungsstadien eines Kindes und in Risikogruppen zu verbessern.

Titel: Komorbidität chronischer Schmerzen und affektiver Störungen: den Kreislauf durchbrechen (HaPpY)

https://happyejd.com

Die Europäische Union hat die Förderung eines Innovativen Trainingsnetzwerks (ITN) im Rahmen der MARIE SKLODOWSKA-CURIE ACTIONS bewilligt. Darin beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der gegenseitigen Beeinflussung von affektiven Störungen und chronischen Schmerzen.

Bislang wurden in der Medizin die affektiven Störungen und chronische Schmerzerkrankungen größtenteils getrennt betrachtet und meist auch behandelt. Dass sie sich durchaus überlappen und wechselseitig beeinflussen, ist mittlerweile aber ein zentrales Merkmal im klinischen Kontext. Diese sogenannten Komorbiditäten erlauben eine schlechtere Prognose und erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen. Dies kann den Therapieverlauf komplizierter gestalten und die eingesetzten Verfahren sind in vielen Fällen ineffizient. Welche Mechanismen hierbei zentral sind, muss daher weiter untersucht werden und ist deshalb eine Fragestellung der aktuellen Forschung.

Schwerpunkt ihres Beitrags die Ausbildung und Vernetzung von Doktorandinnen und Doktoranden, die an verschiedenen Aspekten der Ausgangsfragestellung forschen werden.

An dem Horizon2020-Forschungsprojekt sind neben 19 europäischen Forschungsinstituten und -einrichtungen auch die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) durch Professorin Frauke Nees, Direktorin des Instituts für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, beteiligt.

Titel: Die Rolle Pandemie-bezogener und individueller Variabilität in längsschnittlichen Kohorten über die Lebensspanne: Müssen wir die Modelle neurosoziobehavioraler Verläufe in einen Substanzmissbrauch weiterentwickeln? (CoviDrug)

https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/458246158

Suchtverhalten und riskanter Substanzkonsum sind nicht durch individuelle Faktoren wie Impulsivität oder Stresssensitivität gekennzeichnet, sondern es spielen dabei auch sozioaffektive Faktoren wie soziale Normen und Möglichkeiten sowie sozial Kontextfaktoren wie Stress in der Familie oder der Bezug zu Freunden und Gleichaltrigen. Die COVID-19 Pandemie hat nun durch den verhängten Lockdown, den limitierten Aktionsradius und die Einschränkung sozialer Begegnungen erhebliche soziale Veränderungen mit sich gebracht, die sich je nach individueller Lage und über alle Altersspannen hinweg erstreckt. Zuvor identifizierte normative und nicht-normative Risikoverhaltensweisen und -bedingungen für einen Substanzkonsum könnten sich somit ebenso verändert haben. Durch den Rückgriff auf bereits existierende längsschnittliche Kohorten (IMAGEN, ROLS, MARS) und querschnittlicher Datensätze, bei denen auch Informationen direkt in alltäglichen Situationen erhoben wurden (IMAC-Mind) sowie COVID-19 bezogene Erhebungen zu Gesundheit, sozialen Faktoren und Verhaltensweisen während des Lockdowns, werden wir multivariate Analysen durchführen, um die Stabilität von in früheren Studien identifizierten Maßen unter COVID-19 zu schätzen und zu sehen, wie sich diese über die Zeit hinweg nochmals verändern. Hierfür verwenden wir Daten zu Gehirnstruktur und -funktion, Sensor-basierte Verhaltensdaten in alltäglichen Situationen sowie Maße der Affektregulation („mindfulness“), die wir auch über verschiedenen Alterspannen hinweg, kreuzvalidieren. Faktoren, die zuvor als Schutzmaßnahmen klassifiziert wurden könnten sich abschwächen oder verstärken und andere Mechanismen und Prozesse könnten sich als zentral herausstellen. Dies könnte auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern betreffen. Durch das aktuelle Projekt könnten wertvolle Einblick in die gesundheitsbezogenen Konsequenzen einer solchen Pandemie übe verschiedene Lebensphasen hinweg gewonnen werden.

Neurofeedback bei chronischen Rückenschmerzen und Möglichkeiten eines Alltagstransfers.

Presseinformationen der Förderstiftung (Verlinken mit:UKSH Förderstiftung)

Nahtlose Integration von Assistenzsystemen für die natürliche Lokomotion des Menschen (LokoAssist)

Projekthomepage: https://www.tu-darmstadt.de/lokoassist/

Project homepage (english): https://www.tu-darmstadt.de/lokoassist/index.en.jsp

Beinprothesen und Exoskelette werden in der Medizin als „Assistenzsysteme“ bezeichnet. Bislang werden jedoch neue technologische Möglichkeiten aktiver Beinprothesen und -orthesen von Menschen mit Bewegungseinschränkungen eher zögerlich angenommen. Das Graduiertenkolleg „Nahtlose Integration von Assistenzsystemen für die natürliche Lokomotion des Menschen (LokoAssist)“ will daher solche Assistenzsysteme stärker an die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer anpassen. Dabei sollen neue technologische Entwicklungen mit Aspekten des menschlichen Erlebens und Interagierens mit dem Assistenzsystem verknüpft werden. (TU Darmstadt, Sprecher: Professor Dr. André Seyfarth)

Titel: Verringerung der Auswirkungen der großen umweltbedingten Herausforderungen auf die psychische Gesundheit

https://www.environmental-project.org

Kurzinfo:
Das Projekt environMENTAL wird untersuchen, wie sich einige der größten globalen Umweltherausforderungen - Klimawandel, Verstädterung und psychosozialer Stress durch die COVID-19-Pandemie - auf die psychische Gesundheit über die gesamte Lebensspanne auswirken. Es wird die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen ermitteln und Präventions- und Frühinterventionsmaßnahmen entwickeln. Durch die Nutzung von Kohortendaten von über 1,5 Millionen europäischen Bürgern und Patienten, angereichert mit tiefgreifenden Phänotypisierungsdaten aus groß angelegten verhaltensbezogenen Neuroimaging-Kohorten, werden wir Gehirnmechanismen identifizieren, die mit umweltbedingten Widrigkeiten zusammenhängen und den Symptomen von Depression, Angst, Stress und Drogenmissbrauch zugrunde liegen. Durch die Verknüpfung von Bevölkerungs- und Patientendaten mit räumlich-zeitlichen Umweltdaten, die von Fernerkundungssatelliten, Klimamodellen, regionalen sozioökonomischen Daten und digitalen Gesundheitsanwendungen stammen, wird unser interdisziplinäres Team ein neurokognitives Modell multimodaler Umweltsignaturen entwickeln, die mit transdiagnostischen Symptomgruppen in Verbindung stehen, die durch gemeinsame Hirnmechanismen gekennzeichnet sind. Wir werden die diesen Mechanismen zugrunde liegende molekulare Basis mit Hilfe von multimodalen -omics-Analysen, Hirnorganoiden und virtuellen Gehirnsimulationen aufdecken und so eine integrierte Perspektive für jedes Individuum über die gesamte Lebensspanne und das gesamte Funktionsspektrum hinweg bieten. Die gewonnenen Erkenntnisse werden für die Entwicklung von Risikobiomarkern und Stratifizierungsmarkern genutzt. Anschließend werden wir nach pharmakologischen Wirkstoffen suchen, die auf die entdeckten molekularen Mechanismen abzielen. Außerdem werden wir die Entwicklung und das Fortschreiten von Symptomen mit Hilfe von Interventionen in der virtuellen Realität verringern, die auf den ungünstigen Umweltmerkmalen basieren und in enger Zusammenarbeit mit den Beteiligten entwickelt werden. Insgesamt wird dieses Projekt zu objektiven Biomarkern und evidenzbasierten pharmakologischen und VR-basierten Interventionen führen, die umweltbedingte psychische Erkrankungen deutlich verhindern und deren Ergebnisse verbessern und die EU-Bürger in die Lage versetzen, ihre psychische Gesundheit und ihr Wohlbefinden besser zu steuern.

Projekthomepage: https://compain.weebly.com

Titel: Die Komplexität des Schmerzes und seine normativen Implikationen

Schmerz wurde lange als subjektive Erfahrung charakterisiert: etwas von Natur aus Persönliches, Privates und für andere Unzugängliches. Gleichzeitig gibt es jedoch immer wieder Versuche, diese subjektive Erfahrung besser auf objektivem Wege zu verstehen. Die Neurowissenschaften untersuchen die Prozesse im Gehirn im Zusammenhang mit Schmerz zunehmend detaillierter und stimmen in ihren Ergebnissen mit der Neurophilosophie darin überein, dass Schmerz als ein komplexes Phänomen verstanden werden muss, das wahrscheinlich aus verschiedenen Bausteinen besteht. Diese Bausteine werden zudem durch andere kognitive Prozesse wie die Erinnerung an vergangene Schmerzen oder die Vorstellung möglicher Schmerzen beeinflusst und geformt. Der Begriff „Schmerz“ bezieht sich somit vermutlich nicht auf ein einzelnes Phänomen, sondern auf eine Familie unterschiedlicher Phänomene. Diese Erkenntnis hat jedoch in Diskussionen über Schmerz in der (Bio-)Ethik bisher kaum eine Rolle gespielt. Hier wird Schmerz nach wie vor überwiegend als ein einheitliches Phänomen behandelt, das normativ vor allem dadurch charakterisiert wird, dass es unangenehm ist und vermieden oder gelindert werden sollte. Vor dem Hintergrund dieses hervorgehobenen Unterschieds – der Betrachtung von Schmerz als komplex in den Neurowissenschaften und der theoretischen Philosophie im Gegensatz zu einer eher einfachen oder einheitlichen Sichtweise in der Ethik – verfolgt das COMPAIN-Konsortium das primäre Forschungsziel, diese Lücke zu überbrücken. Wir untersuchen, inwieweit die neue Sichtweise auf Schmerz in den Neurowissenschaften und der Philosophie die normative Bewertung von Schmerz in der (praktischen) Ethik beeinflussen muss. Um dieses Ziel zu erreichen, untersucht das Forschungskonsortium zunächst bestehende Schmerzklassifikationen in der Neurowissenschaft und Philosophie und identifiziert ethisch relevante Kriterien für deren Bewertung. Aufbauend auf dieser Arbeit entwickeln wir in einem zweiten Schritt einen neuen systematischen Vorschlag zur Definition von Schmerz über wissenschaftliche Disziplinen hinweg, den wir durch interkulturelle Befragungen validieren. Drittens bewerten wir diesen Systematisierungsvorschlag normativ und entwickeln Empfehlungen für seine Umsetzung in der klinischen Praxis.