Cathepsin L ist entscheidend für Vielfalt und Funktionalität von T-Zellen
10.07.2025
Ein internationales Team um Ludger Klein liefert wichtige Erkenntnisse zur Reifung von T-Zellen im Thymus – einem zentralen Prozess für die Entstehung eines funktionierenden Immunsystems.
Die Studie aus dem Labor von Prof. Dr. Ludger Klein(Gruppenleiter am Biomedizinischen Centrum der LMU München) und Dr. Stephen Daley (Australien) nimmt sich einem immunologischen Paradoxon an, das bereits seit mehreren Jahrzehnten bekannt ist: Die Erkennung körpereigener Strukturen („Selbst“) ist einerseits unverzichtbar für die Entwicklung von CD4+ T-Zellen im Thymus – einem auf diese Aufgabe spezialisierten Organ – birgt andererseits aber auch Gefahren. So kann eine fehlgeleitete Immunantwort gegen körpereigenes Gewebe schwerwiegende Folgen haben. Solche Fehlreaktionen sind beispielsweise bei Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose oder Typ-1-Diabetes zu beobachten.
T-Zellen erkennen Fremdstrukturen über sogenannte Antigenrezeptoren – ein Prozess, der sie befähigt, Krankheitserreger gezielt zu bekämpfen. Bevor T-Zellen ins Blut und damit in den Körperkreislauf gelangen, müssen sie im Thymus eine Art Eignungstest bestehen. Sie überleben nur dann, wenn ihre Rezeptoren in der Lage sind, sogenannte MHC-Moleküle (engl. major histocompatibility complex – Haupthistokompatibilitätskomplex) mit gebundenen Peptiden überhaupt zu erkennen – dieser Schritt wird als „positive Selektion“ bezeichnet. Gleichzeitig dürfen sie körpereigene („Selbst“-)Strukturen nicht zu stark binden, um Autoimmunreaktionen zu verhindern. Solche Zellen werden in einem zweiten Schritt aussortiert – durch die sogenannte „negative Selektion“.
Zwei Hypothesen zur Selektion – und ein neuer Befund
Eine verbreitete Erklärung geht davon aus, dass die Stärke der Erkennung entscheidet: Eine schwache Bindung an körpereigene Peptide führt zum Überleben, eine starke zum programmierten Zelltod. Eine alternative Hypothese nimmt jedoch an, dass die beiden Selektionsprozesse von verschiedenen Zelltypen vermittelt werden, die unterschiedliche Peptidfragmente präsentieren – insbesondere bei der positiven Selektion. Hier scheinen sogenannte kortikale thymische Epithelzellen eine besondere Rolle zu spielen, da sie eine ungewöhnliche Form der Peptidverarbeitung nutzen, um ihre MHC-Moleküle zu beladen.
Ein zentraler Bestandteil dieser Verarbeitung ist das Enzym Cathepsin L, eine Protease, die in den Epithelzellen des Thymus aktiv ist.
Um deren Funktion näher zu untersuchen, hat das Team um Prof. Klein das Cathepsin-L-Gen gezielt im Thymus deaktiviert. Die Folgen waren deutlich: Zum einen war die Vielfalt der entstehenden T-Zell-Rezeptoren stark eingeschränkt – ein Hinweis darauf, dass viele potenzielle T-Zellen die positive Selektion nicht bestanden hatten. Zum anderen zeigten die überlebenden T-Zellen funktionelle Defizite und ein vermindertes Überleben nach der Entwicklung.
„Altered Self“ als zentrales Element der T-Zell-Ausbildung
Diese Ergebnisse legen nahe, dass die positive Selektion nicht einfach durch „normales“ Selbst, sondern durch ein verändertes Selbst (engl. altered self) vermittelt wird – also Peptide, die durch spezialisierte Verarbeitung im Thymus entstehen und sich von jenen unterscheiden, die in anderen Geweben vorkommen.
„Unsere Studie zeigt, dass diese modifizierten Peptide nicht nur darüber entscheiden, ob eine T-Zelle überlebt, sondern auch langfristig ihre funktionellen Eigenschaften prägen“, erklärt Prof. Klein. „Die Interaktion mit ‚altered self‘ scheint ein essenzieller Schritt zu sein, um ein breit aufgestelltes und funktionstüchtiges T-Zell-Repertoire aufzubauen.“
Die neuen Erkenntnisse tragen wesentlich zum Verständnis der zentralen Immunselektion bei und könnten langfristig auch therapeutische Relevanz gewinnen – etwa bei Autoimmunerkrankungen oder in der Immuntherapie.