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Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege fördert multiprofessionelles Pilot-Projekt zur Delirprävention älterer Patienten am LMU Klinikum

21. September 2021

Mit dem Namen gertrud – altersgerechte proaktive Gesundheitsversorgung – ist unter der Federführung der Stabsstelle Personalentwicklung und Pflegewissenschaft sowie der Klinik für Anaesthesiologie des LMU Klinikums ein innovatives Programm gestartet, das die Versorgung von älteren chirurgischen Patientinnen und Patienten während ihres Krankenhausaufenthalts verbessern soll. Das dreijährige Pilot-Projekt wird vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege im Rahmen innovativer medizinischer Versorgungskonzepte mit 500.000 Euro gefördert.

saller-seidenspinner Projektkoordinatoren Denise Seidenspinner und Dr. Thomas Saller (Bild: LMU Klinikum)

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für postoperative Komplikationen nach chirurgischen Eingriffen. Besonders eine bereits bestehende leichte Gebrechlichkeit bei älteren Menschen erhöht das Risiko, ein Delir zu erleiden. Die Abnahme der Muskelkraft, schwindende Leistungsfähigkeit der inneren Organe und Mangelernährung bei gleichzeitig höherer Empfindlichkeit auf Stressoren gehören zu diesem Komplex. Ein chirurgischer Eingriff ist mit Stressoren, wie einer Entzündungsreaktion durch den chirurgischen Eingriff, den Auswirkungen von Medikamenten z.B. während der Narkose und Angst verbunden.

Hierdurch erklärt sich, weshalb ältere Menschen nach operativen Eingriffen häufig unter Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit (neurokognitive Störungen) als postoperative Komplikation leiden. Dabei unterscheidet man zwischen dem postoperativen Delir (POD) und postoperativer kognitiver Dysfunktion (POCD). Beim Delir handelt es sich um eine akut auftretende Störung der Aufmerksamkeit und des Denkens in der unmittelbaren postoperativen Phase. POCD bezeichnet dagegen eine neu aufgetretene kognitive Funktionsstörung nach einem operativen Eingriff und beeinträchtigt viele Patient*innen meist in ihrer Merk- und Lern-, sowie Konzentrationsfähigkeit. Für die Betroffenen besteht das Risiko, langfristige Folgen, wie eine Verschlechterung der körperlichen und kognitiven Fähigkeiten und damit verbunden eine Abnahme in der Selbstversorgung, davonzutragen.

Innovatives Versorgungskonzept zur Delirprävention am LMU Klinikum

Genau hier setzt das innovative sektorenübergreifende Pilot-Projekt namens gertrud (altersgerechte proaktive Gesundheitsversorgung) an: Die Versorgung der Patient*innen soll dem Alter der Patienten und den damit verbundenen individuellen Risiken gerecht werden. Dabei ist das auf drei Jahre ausgelegte Projekt interdisziplinär von der Indikationsstellung bis hin zur postoperativen Weiterversorgung zu Hause angelegt. Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek betonte: „Die Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft werden wir nur durch innovative Ansätze bewältigen können. Interprofessionelle Vernetzung wie beim Projekt ‘gertrud‘ eröffnet neue Perspektiven und Lösungsansätze. Daher fördern wir dieses innovative Versorgungskonzept mit 500.000 Euro.“

Das Ziel des Programmes gertrud ist es, dem Auftreten postoperativer Komplikationen wie dem Delir durch proaktives Handeln vorzubeugen. Gleichzeitig trägt dies zur Entlastung des Gesundheitsversorgungsteams bei, da die Behandlung von deliranten Patienten mit einer zusätzlichen psychischen und physischen Belastung verbunden ist.

Das Versorgungskonzept soll später in die Regelversorgung integriert werden

Das Programm gertrud wird im Rahmen eines dreistufigen interdisziplinären und multiprofessionellen Pilot-Projekts am LMU Klinikum entwickelt, umgesetzt und begleitend evaluiert. Zum Projektende wird eine Implementierungsstrategie erstellt, damit auch andere Kliniken von den Erfahrungen des gertrud-Teams profitieren und das Programm weiterführen können. Die Vorbeugung postoperativer Komplikationen wird sektorenübergreifend in Zusammenarbeit eines multiprofessionell besetzten Geriatrie-Teams mit dem niedergelassenen Facharzt, dem Patienten und Angehörigen geplant und als individueller Behandlungspfad umgesetzt. Mit einem geriatrischen Assessment werden die Risiken des Patienten erfasst und der Patientenzustand hinsichtlich des Risikoprofils prästationär optimiert. Die stationäre risikoangepasste Behandlung und die nicht-pharmakologische Delirprävention werden durch ein spezialisiertes Team der evidenzbasierten Pflege unter Einbindung von Begleitern durchgeführt. Die Begleiter können junge Menschen sein, die Bundesfreiwilligendienst leisten, bereits als Alltagsbegleiter arbeiten oder Auszubildende bzw. Medizinstudierende.

Projektkoordinatorin Denise Seidenspinner von der Stabsstelle Personalentwicklung und Pflegewissenschaft am LMU Klinikum München:„Die Einführung der evidenzbasierten nicht-pharmakologischen Delirprävention auf den Pilot-Stationen bedarf mehr Personalzeit. In den spezialisierten Teams werden zusätzliche Pflegefachpersonen eingebunden. Wir wollen zeigen, dass mit dem Programm gertrud die postoperativen Komplikationen wie die Delirrate bei den älteren Patienten und die Belastung im Gesundheitsversorgungsteam sinkt, und sich das proaktive Vorgehen aus gesundheitsökonomischer Sicht auszahlt.“

„Wir freuen uns sehr, dass unser Pilot-Projekt vom Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gefördert wird und wir dadurch die Patientenversorgung im Hinblick auf Delir und postoperative kognitive Defizite weiter verbessern können“, ergänzt Privatdozent Dr. Thomas Saller, Klinik für Anaesthesiologie am LMU Klinikum, der die Pflegewissenschaftlerin von ärztlicher Seite im Geriatrieteam unterstützt. Der Facharzt für Anaesthesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin beschäftigt sich wissenschaftlich mit interdisziplinären Lösungsstrategien zur Vermeidung neurokognitiver Defizite.

Schwerpunkte des Programms gertrud:

  • Stärkung der Zusammenarbeit von niedergelassenem Arzt, multiprofessionellem geriatrischem Team, Angehörigen bzw. Altenhilfe und Patient
  • Risikovorbeugende Behandlungsplanung der prästationären,stationären und poststationären Gesundheitsversorgung gemäß Risikoprofil im multiprofessionell und interdisziplinär besetzten Geriatrie-Team (EDV-gestützt)
  • Prästationäre risikoangepasste Optimierung des Patienten und Medikationsanpassung
  • Stationäre proaktive Gesundheitsversorgung entsprechend Risikoprofil durch Teams der evidenzbasierten, spezialisierten Pflege und Überleitung in die poststationäre Versorgung
  • Einsatz von Begleiter*innen zur Unterstützung der nicht-pharmakologischen Delirprävention durch patientenzentrierte Begleitung der älteren Patient*innen
  • Ansprechpartner

    Denise Seidenspinner
    Stabsstelle Personalentwicklung und Pflegewissenschaft
    +49 89 4400 58010
    denise.seidenspinner(at)med.uni-muenchen.de

    PD Dr. med. Thomas Saller
    Klinik für Anaesthesiologie
    +49 89 4400 72747
    thomas.saller(at)med.uni-muenchen.de

    Quelle: LMU Klinikum